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Zur Hölle mit den christlichen Devotionalienhändlern Von Ralf Sotscheck

Ich werde höchstwahrscheinlich in den Himmel kommen. Jedenfalls wollen sich zwei ältere Damen dafür einsetzen und ein gutes Wort für mich einlegen. Die beiden gehören dem Rudel christlicher HändlerInnen an, das vor Weihnachten frommen Schund an den Haustüren verschachert: Kerzen für die Absolution, Jahreskalender mit mundgemalten Jesuskreuzen, gräßliche Weihnachtskarten mit Heiligenbildchen und andere Scheußlichkeiten. Die heiligen Handelsreisenden setzen Jahr für Jahr darauf, daß die umfassende Indoktrination vom Fest der Liebe ihre Wirkung nicht verfehlt. Meistens geht die Rechnung auf, zumal die DevotionalienhändlerInnen offenbar knallhart geschult sind: Sie schaffen es mühelos, auch die beste Ausrede eines Kaufunwilligen zu entkräften. Im vergangenen Jahr gelang es einem angeblich Gehbehinderten, mir noch am Heiligabend 24 Weihnachtskarten mit religiösen Motiven aufzuschwatzen.

In diesem Jahr hatte ich mir deshalb fest vorgenommen, besonders wachsam zu sein. Jedesmal wenn es klingelte, spähte ich zunächst aus dem Fenster. Entdeckte ich dort einen Menschen mit eindeutig christlichen Absichten, versteckte ich mich hinter der Gardine. Siebenmal hatte das an jenem Vormittag bereits funktioniert, doch die beiden gewieften alten Damen kannten den Trick schon: Als ich vorsichtig aus dem Fenster lugte, grinsten sie mir ins Gesicht. Kaum hatte ich gezwungenermaßen die Tür geöffnet, streckten sie mir silbrig- blaues Geschenkpapier entgegen: „Der Erlös geht in die Gemeindekasse.“ Gegen soviel Barmherzigkeit gab es nur ein Mittel. „Igitt!“ schrie ich. „Da sind ja Engel drauf! Das ist ja widerlich! Wii-der-lich! Wissen Sie denn nicht, daß Sie hier vor dem Hauptquartier der Anonymen Atheisten stehen?“ Die beiden Damen klemmten sich entsetzt das silbrig-blaue Engelspapier unter den Arm und suchten das Weite. Vorher bekreuzigten sie sich freilich und schwörten: „Wir werden für Sie beten.“

So kam es, daß meine Seele vermutlich gerettet wurde. Wenn man dem Bischof von Durham, David Jenkins, glauben darf, hätte ich allerdings ohnehin nichts zu befürchten gehabt. Jenkins behauptet nämlich, daß es gar keine Hölle gibt. Das ist beruhigend. Aber wehe ihm, er hat gelogen: Dann treffen wir beide uns womöglich doch beim Satan, denn irgendwie hat Jenkins seinen Beruf verfehlt. An die Jungfräulichkeit Marias und an die Wiederauferstehung ihres Sohnes glaubt der Bischof nämlich schon lange nicht mehr. Deshalb unterzeichneten 12.500 seiner Schäfchen vor zehn Jahren bereits eine Petition und wünschten ihn zum Teufel – jedoch vergeblich.

Und nun hat Jenkins auch noch Weihnachten verhunzt. Die Heiligen Drei Könige seien eine poetische Erfindung, meint Jenkins. Ebensowenig leuchtet ihm ein, daß Maria und Joseph damals bei dem Gasthaus abgewiesen worden seien und in einem Stall bei Bethlehem übernachten mußten. Jesus habe aber tatsächlich gelebt, räumt der Bischof ein. Das erwartet man freilich auch vom vierthöchsten Mann der protestantischen Kirche von England. Der weltliche Umweltminister John Gummer, der aus Protest gegen die Ordination von Frauen aus der Kirche ausgetreten ist, forderte Jenkins auf, mit der „Plünderei christlicher Feste“ aufzuhören. Aber wer glaubt schon an Gummer.

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