: Software zum Krimi-Preis
Nach dem tiefen Fall der Hardware-Preise wird jetzt auch die Software billig und der Personalcomputer zum normalen Konsumartikel ■ Von Wolfgang Müller
Berlin (taz) – Die Preise für Personalcomputer sind in den letzten zwei Jahren so tief gefallen, daß die Anschaffung als Investition kaum noch ins Gewicht fiele – wäre da nicht die teure Software. Spezielle Software für Architekten, Ärzte oder Anwälte ist teuer und wird es vermutlich vorerst bleiben. Bei den 08/15-Programmen für jeden PC-Anwender – Textverarbeitung, Datenbank, Graphik und Tabellenkalkulation – purzeln jedoch die Preise.
Marktführer Microsoft verlangt in den USA für sein Komplettpaket Office, das die neuesten Versionen der Programme Word (Textverarbeitung), Excel (Tabellenkalkulation) und Powerpoint (Graphik) enthält und als Neuerung gemeinsame Menüs und Kommandos für alle Anwendungen bringt, nur noch 750 Dollar empfohlener Listenpreis. Der Verkaufspreis wird sich erfahrungsgemäß bei 400 Dollar einpendeln.
Vor zwölf Monaten kostete jedes Programm einzeln noch soviel Geld. Damals vermarktete das US-Softwarehaus Borland sein populäres Tabellenkalkulationsprogramm Quattro in den USA für 495 Dollar. Später senkte die kalifornische Firma, die bei Tabellenkalkulation-Software hinter der US-Konkurrenz von Lotus (Lotus 1-2-3) und Microsoft (Excel) in den Verkaufszahlen bislang abgeschlagen auf dem dritten Platz liegt, den Listenpreis auf 99 Dollar; heute liegt er bei knapp 50 Dollar. Damit kostet Qualitäts-Software nicht mehr viel mehr als ein Buch.
Die BRD ist dagegen scheinbar noch ein Hochpreisparadies für die Softwarebranche. Doch auch das beginnt sich zu ändern. Wer zum Beispiel bei Vobis oder anderen PC-Handelsketten einen neuen PC kauft, bekommt im Preis nicht nur das Betriebssystem mitgeliefert, sondern auch gleich Textverarbeitung und Tabellenkalkulationsprogramme, die einzeln jeweils mehrere hundert Mark kosten. Branchenanalysen sehen in den jüngsten Preissenkungen von Borland, die umgehend von dem Software-Giganten Microsoft und anderen gekontert werden, die blanke Verzweiflung. Sie vergleichen den Preiskampf bei der PC- Software mit den Preiskriegen der US-Fluggesellschaften. Der führte zu roten Zahlen bei allen Gesellschaften, zu vielen Firmenpleiten und zu unsicheren Flügen. Die Firma Borland sieht den Sinn des Preiskrieges anders: „Software für PCs hat bisher in etwa zehn Prozent des Preises der Hardware gekostet. Während die Hardware- Preise gestürzt sind, haben viele Software-Firmen ihre Preise nicht gesenkt.“ In der Tat kostet heute ein kompletter 486-PC samt Farbmonitor und Drucker kaum mehr als 2.000 Mark. Dagegen sind die knapp 600 Mark, die Microsoft noch für das verbreitete MS-Word verlangt, ein stolzer Preis, der geradezu zum illegalen Kopieren herausfordert. Künftig werden die Preise eher die aktuellen Kosten, eine weitere Diskettenkopie anzufertigen, reflektieren als den unterstellten Nutzen des Programms für die Anwender. Bislang hat die Branche, allen voran Microsoft, bei Millionen verkauften Programmkopien zu Verkaufspreisen zwischen 500 und 1.000 Mark riesige Gewinne gescheffelt; die Entwicklungskosten waren nach ein paar tausend verkauften Programmkopien oft schon wieder eingespielt. Der Grund für das neue Preismodell ist vor allem der Wunsch der Branchenriesen, PC und Software endgültig zum Massenartikel für jeden Haushalt zu machen. Den Gewinn bringt künftig nicht mehr die riesige Marge auf das einzelne Programm, sondern die Masse.
Manche US-Branchenkenner gehen davon aus, daß in zwei Jahren einzelne Anwendungen wie Tabellenkalkulation oder Textverarbeitung nur noch zwischen 30 und 50 Dollar kosten und komplette Anwendungspakete zwischen 100 und 150 Dollar. Vermutlich sind solche Prognosen eher zu konservativ. In den USA hat ein Softwarehaus, spezialisiert auf interaktive Multimedia-Software für PCs, ein komplettes Nachschlagewerk für den häuslichen Bastler auf Disketten beziehungsweise CD-ROM herausgebracht zum Listenpreis von 49 Dollar; aber die Firma rechnet selbst damit, daß die Software schließlich für 29 Dollar über den Ladentisch geht.
Die Strategie von Microsoft, Lotus, Borland und Co., für Computer-Software einen Massenmarkt zu schaffen, dürfte schließlich zu Marktpreisen von zehn Dollar oder 20 Mark für Standard- Pakete führen. Niedrige Softwarepreise sind das Feuer, das die Nachfrage nach Computern anheizen und den PC endgültig zum Produkt für jeden Haushalt machen soll. Wenn Multimedia-Software oder gute Graphik-Software nur noch soviel wie ein Buch kostet, fällt es leichter, den schon lange angedachten PC-Kauf endlich zu tätigen. Und der heutige PC-Besitzer hat ein Argument mehr, seinen betagten 286er oder 386er PC auszumustern und für die leistungsfähige, aber PC-Ressourcen fressende neue Software einen 486er PC zu kaufen. Damit Software-Programme endgültig Massen-Konsumartikel werden können, müssen die Produkte allerdings noch deutlich benutzerfreundlicher werden.
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