: Kein Abschieben von Kosovo-Albanern
■ Schnoor geht von staatlicher Gruppenverfolgung aus
Düsseldorf (taz) – Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Schnoor hält es aufgrund der politischen Lage im Kosovo für geboten, allen Kosovo-Albanern einen Duldungsstatus zu gewähren. Anders als seine Ministerkollegen, die während der Innenministerkonferenz im November letzten Jahres einen generellen Abschiebestopp abgelehnt hatten, geht Schnoor davon aus, daß die albanische Volksgruppe im Kosovo einer staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt ist.
Durch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 30. September 1993 sieht Schnoor seine Auffassung nun bestätigt. Die Lüneburger Richter erklärten darin die Ablehnung des Asylantrages eines Kosovo-Albaners durch das Verwaltungsgericht Braunschweig für unwirksam. In der jetzt vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung heißt es, daß Kosovo-Albaner „einer unmittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung wegen ihrer Volkszugehörigkeit ausgesetzt“ seien und deshalb ein Anspruch auf Asyl bestehe. Ihre Lage habe sich seit Anfang 1992 „nachhaltig verschlechtert. Sie stellt sich gegenwärtig als Verfolgung einer Volksgruppe dar, die regelmäßigen Mißhandlungen, Folterungen und Körperverletzungen mit Todesfolge durch die serbische Polizei und die serbischen Sicherheitsbehörden ausgesetzt ist.“ Die staatliche Verfolgung, so fahren die OVG-Richter fort, erweitere sich „in ihrer Hartnäckigkeit und Vielfalt so stark, daß für jeden Albaner im Kosovo die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht“. Mit dieser Begründung setzte sich das Lüneburger Gericht deutlich von früheren Entscheidungen anderer Gerichte ab.
Am Heiligabend hat Schnoor die Lüneburger OVG-Entscheidung allen Ausländerbehörden des Landes mit der Bitte zukommen lassen, das Urteil „insbesondere bei Entscheidungen über Anträge auf Erteilung von Duldungen“ zu berücksichtigen. Ein rechtlich verbindlicher Abschiebestopp ergibt sich daraus indes nicht. Eine entsprechende Weisung kann nur der Bundesinnenminister erteilen. Walter Jakobs
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