: „Ich wollte ihm nur Angst machen“
■ Nach 24 Jahren Horrorehe: Hannelore P. erstach ihren Mann
Eine verzweifelte Frau hat ihren Mann nach 24 Jahren Ehe getötet. Im August vergangenen Jahres griff die 57jährige zum Küchenmesser und erstach ihren langjährigen Peiniger. Jetzt steht Hannelore P. wegen Totschlags vor Gericht.
Ihre Beziehung zu Erwin P. war von Anfang an alles andere als gut. „Ich hatte immer ein bißchen Angst vor ihm“, sagt Hannelore P., deren Gesicht verlebt wirkt, „Er war so rechthaberisch und hat mich oft geschlagen.“ Trotzdem hat sie es so lange mit ihm ausgehalten. „Erwin war ja kein schlechter Mensch.“ Selbst als er auf sie schoß und mit dem Beil auf sie losging, hielt sie zu ihm. Erst nachdem Erwin P. seiner Frau mit einem spitzen Schuhabsatz ein Loch in den Kopf schlug, ging sie zur Polizei.
Kennengelernt haben sich Hannelore und Erwin P. 1969 im Obdachlosen-milieu. Da hatte die Angeklagte gerade sechs Wochen wegen „Stadtstreicherei“ im Gefängnis verbracht - damals noch ein Delikt. Erwin jobbte als Kellner und im Hafen. Um seßhaft zu werden, begann Hannelore P. wieder als Prostituierte zu arbeiten. „Ich war bereits ab meinem 20. Lebensjahr anschaffen gegangen.“ Nachdem sie aus einem Heim als nicht erziehbar entlassen worden war. „Da hatten mich meine Adoptiveltern hingebracht, weil sie mit mir nicht fertigwurden.“
„Wir zogen also in die Herbertstraße - früher konnten da auch noch die Männer mitwohnen.“ Sie hatten zwei Zimmer: „Eines zum Wohnen, das andere zum Arbeiten.“ Irgendwann haben die beiden dann Stellungen im „Zillertal“ bekommen. Hannelore in der Küche und Erwin als Platzanweiser. „Für das Bordell war ich zu alt geworden“, sagt die Angeklagte ganz selbstverständlich.
Zwischendurch hatte Hannelore P. versucht, sich von ihrem Mann zu trennen. Nach knapp einem Jahr holte er sie zurück. „Ich hatte auch das Gefühl, ihm dankbar sein zu müssen“, sagt sie heute und verbirgt - bisher sehr gefaßt - ihre Tränen nicht mehr. „Er hat mich nicht fallen lassen, als ich älter wurde, wie andere Männer ihre Frauen.“
Dafür stellte er sie bei den Nachbarn in der Schrebergarten-siedlung bloß. „Erwin erzählte allen, wenn er getrunken hatte, daß ich anschaffen gegangen war.“ Im August 1993 wollte sie sich ein weiteres Mal von ihm trennen, übernachtete bei Freunden auf einem Campingplatz. Als sie nach einer Zechtour in die gemeinsame Wohnung kam, war Erwin da. Sie wollte ihm die Trennung erklären, aber er habe sie gar nicht ausreden lassen. „Sofort bekam ich eine Ohrfeige, daß ich auf den Boden ging, dann trat er mich.“ Ihr Gebiß zerbrach.
Hannelore P. nahm ein Küchenmesser. Sie ging zu Erwin, stach nur einmal zu. „Er lief durch die Wohnung, sah mich groß an. Ich wollte ihn nicht töten.“ Die Untermieterin, in deren Zimmer er schließlich zusammenbrach, rief die Polizei. „Ich wollte ihm doch nur Angst machen“, sagt Hannelore P. verzweifelt, „hätte ich nur seinen kleinen Zeh getroffen.“
Das Urteil wird heute gesprochen. Torsten Schubert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen