: Von den Amerikanern lernen
Jahresprognose des DIW: Wachstumserfolge in den USA / In der EU ist kein Aufschwung in Sicht / Hoffnungen auf deutsche Exportsteigerungen sind verfehlt / Zinssenkungen nötig ■ Von Nicola Liebert
Berlin (taz) – Von den USA könnten die deutschen Wirtschaftspolitiker etwas lernen. Während hierzulande die Ökonomie 1993 um 1,5 Prozent schrumpfte und 1994 der Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge stagniert, bringen es die USA immerhin auf jeweils 3 Prozent Wachstum 1993 und 94. Grundlage des Erfolges sei eine vernünftige Lohn- und Geldpolitik, meint das DIW. In den USA wurden die Zinsen von 1990 bis 1992 von sieben auf drei Prozent gesenkt. Zugleich war die Lohnentwicklung moderat. Damit erhöhte sich die Rentabilität der Produktion, Investitionen rechneten sich wieder. Inzwischen nimmt die private Nachfrage durch steigende Löhne und sinkende Arbeitslosigkeit zu und belebt die Wirtschaft weiter.
So ähnlich müßte nach Auffassung der Berliner Wirtschaftsforscher auch in der Bundesrepublik Wirtschaftspolitik betrieben werden. Auf das Ausland zu schielen mit der Hoffnung, dort würde die Konjunktur anziehen und so der deutschen Exportwirtschaft auf die Beine helfen, sei naiv. Die Bundesrepublik liefert 80 Prozent ihrer Exporte in die Europäische Union. Und da gingen die Investitionen 1993 sogar um 4 Prozent zurück, 1994 soll es auch nur ein Plus von 1,5 Prozent geben. Investitionsgüter sind jedoch die hauptsächlichen Exporte der deutschen Industrie.
In der ganzen EU sind nach wie vor die Zinsen zu hoch, um einen Aufschwung zuzulassen. Insgesamt wird es die EU 1994 der DIW-Prognose zufolge nur auf ein Wirtschaftswachstum von 0,8 Prozent bringen, nach einem Rückgang um 0,6 Prozent im vergangenen Jahr. Einziger positiver Aspekt: die Inflation ist mit drei Prozent kein Schreckgespenst mehr. Daß es sich bei der Konjunkturschwäche um eine Kostenkrise handelt, um die berüchtigte „Eurosklerose“, glaubt das DIW nicht.
Schon in den achtziger Jahren wurden in vielen Ländern Schritte zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit unternommen, Unternehmen wurden bei den Sozialausgaben entlastet, die Lohnzuwächse wurden begrenzt. Mit 2,9 Prozent im vergangenen Jahr liegen die Lohnsteigerungen EU- weit jetzt unter der Preissteigerungsrate. Auch die Lohnstückkosten, der Anteil der Lohnkosten am Wert eines Produkts, sind im internationalen Vergleich nicht dramatisch hoch.
Tatsächlich, meinen die Wirtschaftsforscher, handele es sich bei der derzeitigen Rezession nicht um eine strukturelle, sondern eine konjunkturelle Krise. Durch die Konzentration auf die Standortfrage werde aber in der gesamten EU, genauso wie in der Bundesrepublik, die Zinspolitik ausgeblendet. Ohne Zinssenkung aber, das zeige die Erfahrung, gibt es kein Wachstum.
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