: Treuhand sucht SED-Millionen bei Schirinowski
■ Zwielichtiger Geschäftspartner der Treuhand ließ vier Millionen Mark verschwinden
Berlin (taz) – Die Treuhandanstalt untersucht, ob vier Millionen Mark aus dem ehemaligen SED-Auslandsvermögen an den russischen Faschisten Wladimir Schirinowski geflossen sind. Dies bestätigte gestern der Leiter des Direktorats Sondervermögen der Treuhand, Josef Dierdorf. Das Geld soll in Einzelüberweisungen von Konten der Berliner Vermögensverwaltungsfirma TVO abgezogen worden sein.
Einen konkreten Anhaltspunkt, daß Schirinowski mit den transferierten Millionen finanziert wurde, gebe es allerdings nicht, so Dierdorf. Ein Mitarbeiter Schirinowskis habe sich aber kürzlich sechs Wochen lang bei der TVO aufgehalten. Der TVO-Geschäftsführer Werner Girke hatte sich nach Informationen der österreichischen Staatspolizei im Dezember persönlich in Kärnten mit Schirinowski getroffen. Und informierten Kreisen zufolge sollen die transferierten Millionen auf Konten in Rußland und anderen osteuropäischen Ländern gelandet sein.
Die TVO GmbH in Berlin war am Donnerstag von Kripobeamten durchsucht und wichtige Akten beschlagnahmt worden, ein neuer Geschäftsführer wurde eingesetzt. Gegen Girke wird jetzt wegen Unterschlagung ermittelt.
Die TVO (Treuhand-Verwaltungs- und Organisations-) Gmbh fungierte zu Zeiten der DDR als Verwalterin des SED-Parteivermögens im Ausland. Am 30. Mai 1990 wurde sie privatisiert und an den bisherigen Geschäftsführer Girke verkauft. Seit 1991 arbeitete die Treuhandanstalt mit dem zwielichtigen Kaufmann zusammen, um an das Auslandsvermögen der SED/ PDS zu kommen. Wie Dierdorf gestern erklärte, habe die Treuhandanstalt durch diese Zusammenarbeit die Rückübertragung von 50 Millionen Mark des Parteivermögens erreicht.
Während dieser Transaktionen aber habe sich auch der Verdacht erhärtet, daß Girke die TVO benutzte, um Teile des ehemaligen SED-Vermögens auf sich selbst zu übertragen. Die „Unabhängige Kommission Parteivermögen“ kam im Dezember 1993 zu dem Schluß, daß die TVO „nicht wirksam aus dem Parteivermögen der SED/PDS ausgeschieden war“. Erst dann, nach mehr als zweijähriger Zusammenarbeit der Treuhand mit der TVO, erfolgte die Hausdurchsuchung. Dierdorf verteidigte die lange Zusammenarbeit: Man habe Girke eben gebraucht, da die Verfügungsrechte der Treuhand im Ausland oftmals nicht akzeptiert worden seien.
Reinhard Krämer, Mitglied der „Unabhängigen Kommission“ für Bündnis 90/ Grüne, erklärte gestern gegenüber der taz, man müsse prüfen, ob von seiten der Treuhand und der Unabhängigen Kommission das Versäumnis vorliege, nicht schon früher gegen Girke vorgegangen zu sein. Es sei zu fragen, ob dieses mögliche Versäumnis nicht erst eine Transaktion mit Schirinowski ermöglicht habe. Krämer wies daraufhin, daß es etwa 20 weitere Fälle in der Bundesrepublik gebe, in denen ehemalige SED-Firmen bis Mai 1990 privatisiert worden seien, ohne daß es danach eine Kontrolle über deren Vermögen gegeben habe. Diese Verkäufe erfolgten vor dem Inkrafttreten der treuhänderischen Verwaltung von SED-Parteivermögen am 1. Juni 1990. BD
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