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Tschernobyl-Folgen

■ Wild und Pilze in Lappland belastet

Stockholm (taz) – Zum achten Mal jährt sich 1994 die Tschernobyl-Katastrophe. Die Auswirkungen auf die Natur im schwedischen Lappland sind zum Teil noch immer so stark wie im Jahr des strahlenden Regens selbst. Nach einer Aufstellung der Landwirtschaftsuniversität in Uppsala wurde bei Rehen und anderem Wild, das im Herbst in Mittelschweden geschossen wurde, ein durchschnittlicher Strahlenwert von 7.000 Becquerel Cäsium 137 pro Kilogramm Fleisch gemessen. Einzelne Tiere hatten eine Strahlenbelastung von über 10.000 Becquerel. Nach den – verhältnismäßig hohen – Grenzwerten des schwedischen Strahlenschutzinstituts bedeutet eine Belastung von mehr als 1.500 bq, daß das Fleisch für den menschlichen Gebrauch nicht mehr geeignet ist. Fleisch, Beeren und Pilze mit höherem Cäsiumgehalt dürfen nicht auf den Markt gebracht werden.

Am schlimmsten betroffen ist in Schweden nach wie vor eine Region nördlich Stockholms um die Stadt Gävle. Hier wurden im Herbst bei den bei SammlerInnen populären Pilzen Durchschnittswerte von 3.800 bq gemessen. Spitzenbelastungen von über 23.000 bq wurden bei Fischen gemessen. Der Durchschnittswert bei Barschen lag bei 5.300 bq, der bei Hechten bei 3.200 bq pro Kilo. Die Werte im Gebiet von Gävle lagen im letzten Jahr faktisch höher als die dort in den Jahren 1990 bis 1992 gemessene Strahlenbelastung – eine Tatsache, für die die ExpertInnen keine Erklärung haben.

Die Situation für die Rentierwirtschaft der Sami in Nordschweden hat sich deutlich entspannt. Mußten im Tschernobyl-Jahr über 70.000 Rentiere geschlachtet und als „Sondermüll“ vergraben werden, waren es in diesem Jahr „nur“ noch knapp zehn Prozent aller Schlachttiere: 7.800 von 84.000 insgesamt geschlachteten Rentieren. Der Grund: Die Sami lassen ihre Tiere in den Wochen vor der Schlachtung nicht mehr die natürlich wachsenden Pilze und Flechten fressen. Statt dessen füttern sie Spezialfutter, das aus Getreide und Rückständen bei der Zuckerherstellung hergestellt wird. Durch dieses „strahlenfreie“ Fressen wird die Cäsiumbelastung der Tiere, die teilweise nach wie vor bei über 10.000 bq liegt, bis zur Schlachtung auf Werte unterhalb der zugelassenen 1.500 bq gesenkt. Ohne dieses Spezialfutter allerdings müßten nach Schätzung von Birgitta Ahman von der Landwirtschaftsuniversität Uppsala zwischen einem Drittel und der Hälfte der Rentiere als ungenießbar kassiert werden. 20 Jahre noch wird das Problem mit den hohen Strahlenwerten nahezu unvermindert anhalten, schätzt die Wissenschaftlerin. Reinhard Wolff

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