: Infotainment mit Lale und Hans
■ Alte Hörer verzweifelt gesucht: NDR-Hamburg-Welle setzt auf Information und olle Kamellen
Not macht ..., nun ja, nicht immer erfinderisch, aber zumindest reformerisch. Und der NDR ist in Not. In Finanznot und vor allem in Hörernot. Besonders betroffen: Die Hamburg-Welle des einstigen Monopolsenders, für die zuletzt gerade noch ein Marktanteil von 5,6 Prozent ermittelt worden war. Also: Reform, oder zumindest – Reförmchen.
Ab kommenden Montag, so verkündete gestern Oberhörfunker Rüdiger Knott, soll sich die Hamburg-Welle als „gut gemachtes Informationsradio mit starken regionalen und lokalen Akzenten“ profilieren. Langsam aber stetig sollen vor allem jene HörerInnen wieder auf die Frequenz 90,3 gelockt werden, die in den vergangenen Jahren scharenweise zu Alsterradio, Radio Hamburg oder RSH abgewandert sind.
Knotts Rezept: Mehr Sendungen mit Hörerbeteiligung, umfassende und aktuelle Information sowie ein Oldie-dominiertes Musikprogramm, das vor allem ältere Menschen (Zielgruppe: ab 40) ansprechen soll und – gegen Trend und gute Ratschläge: keine Abstriche am Wortprogramm, das mit jetzt drei themenorientierten Sendeplätzen eher ausgebaut wird.
Der NDR-interne Protest gegen das neue Programmkonzept beschränkt sich denn auch auf die Abschaffung der täglichen Musiksendung „Kopfhörer“ (siehe unten) und auf einen vermuteten Nebeneffekt der Hamburg-Wellen-Reform. In den NDR-Chefetagen außerhalb des Landesfunkhauses wird befürchtet, daß die auf Infotainment gestylte Hamburg-Welle weniger den Privatradios Konkurrenz macht als dem öffentlich-rechtlichen Schwestersender NDR 2. Das einstige Informations-Flaggschiff des NDR, ebenfalls in Quotennöten, hat sein Programm in den vergangenen Monaten entsprechend der aktuellen Radio-Ideologie stramm auf „Durchhörbarkeit“ frisiert und den Wortanteil hörbar ausgedünnt.
Einen Vorteil gegenüber der Hamburg-Welle genießt NDR 2 allerdings noch im Quotenrennen: Für den einzigen Werbesender der Rothenbaum-Funker gibt's immerhin noch einen kleinen Werbe-Etat, um wenigstens leidlich mit den regelmäßigen Reklame-Kampagnen der Privatsender mithalten zu können. Die Hamburg-Welle muß dagegen selbst zum Start des neuen Programmkonzepts ohne Werbung auskommen. Und dies, obwohl NDR-Intendant Jobst Plog schon bei der letzten, eher mißlungenen Reform des Stadtsenders moniert hatte: „Daß ein Programm heimlich geändert wird, ist schon ungewöhnlich.“ Wenig später waren die damaligen Hamburg-Wellen-Verantwortlichen Gerhard Gründler und Wolfgang Bombosch in Rente beziehungsweise auf dem Abstellgleis.
Kein Wunder, daß deren Nachfolger, Knott und Funkhausdirektor Winfried Scharlau, gestern trotz fehlender Werbegelder auf Optimismus machten: „...sicher, daß es aufwärts geht“, ... „wir sind sehr glücklich“ ... „eine gute Chance“. Und schließlich: „Wo sind Hans Albers und Lale Andersen ebenso zu hören wie Fats Domino, die Beatles, Frank Sinatra und Pat Boone? Natürlich auf der Hamburg Welle!“ Uli Exner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen