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Nicht alle „Brüder“ sind auch echt ...

■ Doch Licht ins Dunkel der Geheimbünde zu bringen ist nicht ungefährlich

Der Hieb, einem widerspenstigen Haken in der Wand zugedacht, saß punktgenau – auf der Kuppe des Ringfingers der rechten Hand. Die unmittelbare Konsequenz waren Nagelschwärzung und drei Wochen Pause der taz-Italien-Berichterstattung, danach einige Zeit Druckschmerz, weshalb es sich empfahl, den Finger beim Händeschütteln zeitig einzukrümmen.

Nachhaltiger erwiesen sich die langfristigen Folgen. Zwei Wochen nach dem Unfall begann mich ein Dezernent der Stadt Mondragone bei Neapel mit „Bruder“ anzureden. Wenige Tage danach erschien ein Zahnarzt im taz-Büro und erbat, „unserer brüderlichen Verbundenheit wegen“, Unterstützung für die Bürgermeisterwahl im Nachbarort Sperlonga. Dann wieder fragte, diesmal telefonisch und mit dem Spruch: „Ich beziehe mich auf Bruder Angelo“, ein Bittsteller an, ob ich nicht durch einen Artikel die Meriten eines Hinterbänklers der Sozialistischen Partei würdigen könne – „wenn das im Ausland kommt, wirkt das bei uns viel mehr“. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich freilich den Irrtum schon aufgeklärt – der Dezernent hatte mich versehentlich für das Mitglied einer Loge gehalten, der er angehörte, und so auch der Zahnarzt. Schwieriger war es, dem parlamentarischen Bittsteller sein Ansinnen auszureden – er vermutete, irgend jemand habe gegen seinen Schützling interveniert.

Erst drei Jahre danach klärte sich, wie es zu der Verwechslung gekommen war – da rückte noch mal einer penetrant mit dem „Bruder“-Spruch an. Als ich ihn vom Irrtum überzeugt hatte, meinte er, ich müsse seinerzeit wohl ein Zeichen gegeben haben, das die Brüder untereinander zum unauffälligen Erkennen benutzen: Es waren wohl die eingekrümmten Finger beim Händedruck gewesen, die den Mann zu seiner falschen Annahme verleiteten.

„Alles andere ist dann wohl automatisch gegangen: Der hat in Umlauf gesetzt, daß du zu seiner Loge gehörst, und schon haben sich seine ,Brüder‘ an dich gewandt, weil du ihnen dann zu Gefallen sein mußt. Deine Dementi haben die nicht mitbekommen, so wie ich selbst auch.“ Die eher harmlose Episode hat in gewisser Weise Enthüllungscharakter: So leicht kann man ahnungslos in derlei Zirkel geraten – wären da nicht diese „Anträge“ zur Nutzung meiner Tätigkeit gewesen, hätte ich vielleicht nie erfahren, daß ich als „Bruder“ geführt wurde. Der Vorfall zeigt aber auch, welche Erwartungen an Mitglieder solcher Gruppen gestellt werden.

Daß ich nicht der einzige war, dem solches geschah, berichtete mein Hausarzt – auch ihm war eine ganz ähnliche Geschichte passiert, mit allerdings unschönerem Ausgang: Er verlor seinen Posten im Krankenhaus, als er die Verwechslung klarstellte (er hatte sich allerdings auch schon vorher gewundert, warum er ohne alle Beziehungen zum Vize des Chefarztes befördert worden war).

Regelrecht gefährlich kann die Sache für diejenigen werden, die Licht in das Dunkel solcher Vereinigungen zu bringen versuchen. Die christdemokratische Abgeordnete und mehrmalige Ministerin Tina Aselmi verlor ihr Mandat: Sie hatte sich als Vorsitzende eines Kammerausschusses über die Machenschaften der Geheimloge „Propaganda 2“ – in der sich an die tausend Entscheidungsträger zusammengetan hatten, von amtierenden Ministern über Parteivorsitzende und Geheimdienst-, Generalstabs- und Polizeichefs bis zu Top-Bankiers und Medienzaren – allzu weit vorgewagt und ein Gesetz gegen derartige Vereinigungen durchgezogen.

Der Untersuchungsrichter Agostino Cordova beschlagnahmte 1991/92 die Mitgliederlisten einiger Logen im Zusammenhang mit Mafia-Ermittlungen: Daraufhin wurde er vom seinerzeitigen Justizminister Martelli (einem Sozialisten, der wenig später wegen Schmiergeldverdachts zurücktreten mußte) derart schikaniert, daß er seinen Posten aufgeben mußte. Der damalige Staatspräsident Francesco Cossiga wütete so massiv gegen den Staatsanwalt, daß sich der alte Verdacht weiter verstärkte, sein Amtssitz sei selbst so etwas wie ein „Logennest“.

Doch auch Insidern geht es schlecht, wenn sie Klarheit schaffen wollen: Der Leiter des Dachverbandes „Großer Orient“, Giuliano Di Bernardo, wurde von seinen Brüdern gefeuert, als er 1992 eine „vorsichtige Öffnung“ versuchte und die Mitgliederlisten dem Staatsanwalt zur vertraulichen Einsicht aushändigen wollte. Werner Raith

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