Überallwall

■ Ein Dach für den Wall und ein Deckel für den Denkmalschutz

Wenn es mal einen Sommer lang in Bremen heiß und trocken war, kauft die gesamte innerstädtische Gastronomie Gartenstühle und Gartentische ein und möbliert die knappen Freizonen. Ist aber mal ein Sommer verregnet, hagelt's gläserne Überdachungen. Noch in diesem Herbst soll zum Beispiel der Wall auf der Konsumseite ein Glasdach bekommen, von der Sögestraße bis zum Papier- und Pinselhändler Zimmermann. Ein Modell wird man in Kürze in der Hypo-Bank bewundern können.

Der Wall ist - rein städtebaulich - eigentlich keine Einkaufszone. Er hat nämlich nur eine Seite. Die andere ist Radweg und Grün. Da aber in den Läden am Wall Kaufleute sitzen, die auch ihre Mark machen wollen, lassen sie sich immer mal was einfallen, um sich in ihrer B-Lage in Erinnerung zu bringen, Zum Beispiel durch Kunstaktionen.

Jetzt möchten sie mit der Wallüberdachung einen unübersehbaren städtebaulichen Akzent setzen. Und alle finden's toll: Die Baubehörde, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft und nach einiger Überredung auch die betroffenen Kaufleute, auf die gewisse Kosten zukommen. Die Rede ist von 10.000 Mark pro lfd. Meter.

Alle sind dafür, nur einer mault ganz leise: Der Landesdenkmalschützer Peter Hahn hat gegenüber dem Periodikum der Handelskammer Bremen, der „Wirtschaft in Bremen“, davon gesprochen, eine Glaspassage hätte katastrophale Auswirkungen auf die Optik der teilweise denkmalgeschützten Häuser am Wall - sie würden „unterschenkelamputiert“. Seiner kleinen Intervention räumt Hahn indes selbst keine Erfolgsaussichten ein (siehe Interview). Schon tobt das Bauressort, Hahn erfuhr schon von einem drohenden „Monitum“, einer Rüge aus diesem Hause. Es ist in Bremen extrem ungewöhnlich, daß sich die Hüter unserer historischen Fassaden aus dem Fenster lehnen - normalerweise hüsteln sie nicht einmal.

So wird der Wall sein „neues Gesicht“ bekommen. Und wofür brauchen Gesichter Unterschenkel?

Burkhard Straßmann