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■ HandballOstsee-Exerzitien

Kiel (taz) – Noka Serdarusic wirkte zufrieden. Die Dramaturgie stimmte und sein Team, die erste Männermannschaft des Turnvereins Hassee Winterbeck, des besseren Verständnisses wegen auch kurz THW Kiel genannt, hatte sich durch einen 20:19-Sieg im Bundesliga-Spitzenspiel gegen den TV Niederwürzbach an die Poolposition der Tabelle gesetzt.

Dabei waren die Voraussetzungen denkbar schlecht für den Übungsleiter, der vormals schon als Spieler das Publikum in der Ostseehalle in Verzückung versetzt hatte. Der Schwede Magnus Wislander litt an einer Rippenprellung und auch ansonsten war der Kader durch Verletzungen so ausgedünnt, daß der längst in den Ruhestand geschickte Kieler Handball-Oldie Uwe Schwenker für die Begegnung berufen werden mußte. Eher eine nostalgische Aktion, ein Bonbon für das Publikum – zumeist Dauerkartenbesitzer seit mehr als einer Dekade –, das sich größtenteils noch sehr gut an die ersten Auftritte des jungen Uwe Schwenker 1980 erinnern kann.

Vor der gewohnten Kulisse von 7.000 Menschen in der ausverkauften Ostseehalle wußte Schwenker, inzwischen als Marketingchef des Vereins tätig, nur in der Defensive zu gefallen. Den gegnerischen Spieler greifen, sich ihm in den Weg stellen, kurz: die Routine besitzen, dem Treiben seines Gegenübers den Garaus zu bereiten. Dafür reichte es noch beim Kieler Handballfossil.

Ausschlaggebend für den Erfolg der Serdarusic-Eleven waren indes Thomas Knorr und Wolfgang Schwenke, die sich die Rückraumarbeit teilten. Ja, Arbeit. Denn spielerische Raffinesse gab es in dieser Spitzenbegegnung nicht zu sehen. Knorr, Schwenke und auch Kay Germann wuselten durch die Abwehrmitte der Niederwürzbacher, die Außenpositionen wurden nicht in die Verlegenheit gebracht, auf das Tor werfen zu müssen. Gelungene Kreisanspiele waren an einer Hand abzuzählen. Weshalb auch zu handballerischen Höhenflügen ansetzen. Schnell konnten die Kieler einen Drei-Tore-Vorsprung erwerfen. Niederwürzbachs Stars Christian Schwarzer, der Schwede Staffan Olsson und auch Jürgen Hartz, allesamt Nationalspieler, kamen nur schwer ins Spiel, so als würden sie zu sehr das Credo ihres Trainers Jörn-Uwe Lommel befolgen, welches da heißt: „Ich teile ein Spiel in vier Viertel auf. Das letzte gehört uns.“

Verloren ging so für den Vorjahres-Vizemeister, den saarländischen Dorfverein, das Spiel in der ersten Halbzeit, auch wenn es angesichts der recht unterhaltsamen Schlußminuten, in denen, beim Stande von 20:19 für die Kieler, die Niederwürzbacher einen Siebenmeter versemmelten, einmal an den Pfosten warfen und zwei Sekunden vor dem Schlußpfiff dem Kieler Torhüter Michael Krieter den Ball in die Hände lobbten, anders erschien.

Alleiniger Spitzenreiter in der Halenhandball-Bundesliga. Diese Position am Saisonende und Trainer Noka Serdarusic würde sich in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt, in der Handball in der Zuschauergunst alles ist, einer solchen Popularität erfreuen, daß man vielleicht sogar den unsäglichen „Exerzierplatz“ unmittelbar an der Ostseehalle nach ihm umbenennen würde. Zur Not täte es aber auch das Hindenburgufer.Kai Rehländer

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