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Die Waffen nieder

■ betr.: „Es fällt schwer zu differen zieren“, taz vom 12.1.94

Wer wie ich für gewaltfreie Konfliktlösung eintritt, sieht sich durch die nicht enden wollenden Schrecken des Krieges in Ex-Jugoslawien bestätigt. Welches Ausmaß an Elend würde erspart, wenn alle handelten im Sinne einer Bertha von Suttner: Die Waffen nieder. Aber tobt ein solcher Krieg, weil er nicht verhindert wurde, dann können wir Leute aus der Friedensbewegung auch kein Patentrezept anbieten. Aber wir sollten das wenige, das uns verbleibt, mit großem Engagement tun: die Bundesregierung und möglichst viele MitbürgerInnen drängen und um ein Einsehen werben, das allein mit konkreter Hilfe (positiven Sanktionen) verknüpfte Aktivitäten auch den friedenspolitischen Einfluß auf die vom Krieg betroffenen Menschen stärkt. [...]

Wenn nun die Bundesregierung laut Bericht der taz „die Muslime“ kritisiert, so ist dies in vielerlei Hinsicht pure Heuchelei. Der Krieg in Ex-Jugoslawien ist in einer Weise eskaliert, daß sich die Mächtigen aller beteiligten Lager die Hände blutig gemacht haben und dies noch machen. Und selbstverständlich ist es nicht gewaltfrei, wenn es auch dort, wo die lokalen Machtverhältnisse es erlauben, militärische Attacken von Muslimen gegen Kroaten gibt. Auch in Serbien vegetieren etwa 800.000 Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina ohne Regierungsunterstützung in Lagern. Dies zu ertragen ist bestimmt zum Beispiel auch für mich ein enormes Problem, das zum Verzweifeln drängt.

Die deutsche Bundesregierung jedocht denkt nicht in den Kategorien gewaltfreier pazifistischer Lösungen. Deshalb ist ihre gesamte „Jugoslawien“-Politik verlogen. Diese ist primär einseitig und machtpolitisch orientiert, und da bietet es sich an, daß sie noch immer in erster Linie auf die kroatische Karte setzt, trotz aller Dementis und bei zunehmenden massiven Menschenrechtsverletzungen in Kroatien selbst.

Auch Izetbegović ist kein Lamm, sondern ein (muslimischer) Machtpolitiker. Doch wieviel Macht hat er? Wie klein und schwach in jeder Hinsicht stehen die Muslime gegenüber Kroaten und Serben da? Es ist gerade so, wie ein Sprichwort sagt: „Schuld sind immer die Kleinen.“

Das, was die Bundesregierung den Muslimen als „Draufsatteln“ kritisch anmerkt, läßt völlig außer acht, daß diesen bereits entrissen wurde, was sie mindestens brauchen, um gesellschaftlich überlebensfähig zu bleiben.

Und die Zeche zahlen die kleinen Leute, die von der jeweiligen „eigenen“ Seite verhetzt wurden, die aber keinen Krieg wollten (das konnte ich im September 1991 als einzige Botschaft einer Massendemonstration aus Sarajevo mitnehmen), die heute kriegsmüde sind. Doch die im Elend dieses Krieges jeder Lebensperspektive beraubt werden, sind den Herrschenden aller Seiten einschließlich der Bundesregierung relativ gleichgültig, wenn sich letztendlich die Regime Restjugoslawiens und Kroatiens auf dem Rücken Bosniens, sprich der dortigen Muslime, einigen werden.

Die deutsche Regierung und mit ihr fast alle Westmächte waren im Jugoslawienkonflikt von Anfang an schlechte Ratgeber, und nun drohen sie noch, Bosnien völlig seinem Schicksal zu überlassen und auch die humanitäre Hilfe einzustellen (die Flüchtlingshilfe ist schon seit langem jämmerlich).

Ich persönlich sehe nur eine Schlußfolgerung, unser humanitäres Hilfsengagement verstärkt fortzusetzen, die dortigen Friedens- und Menschenrechtsgruppen und insbesondere die Intellektuellen-Initiative für den Erhalt eines multiethnischen Sarajevo mit Ausstrahlung auf ganz Bosnien beispielhaft zu unterstützen. Klaus Vack, Sensbachtal

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