: Thüringer Skin: „Es waren Asylanten, hab' ich gedacht“
■ Prozeß wegen des Angriffs auf zwei US-Rodler
Suhl (AP/taz) – Im Prozeß um den Überfall von Nazi-Skinheads auf Sportler aus den USA im thüringischen Oberhof hat die Staatsanwaltschaft gestern abend drakonische Strafen gefordert. Für den 21jährigen Silvio Eschrich, der zugegeben hatte, den Rennrodler Duncan Kennedy zweimal mit der Faust ins Gesicht geschlagen zu haben, beantragte sie eine Freiheitsstrafe von drei Jahren ohne Bewährung. Für den mitangeklagten 16jährigen Tino Völkl forderte sie ein Jahr und zwei Monate Jugendstrafe. Völkl hatte zwar bestritten, selbst Faustschläge ausgeteilt zu haben. Doch er gestand, er habe Kennedy geschubst und versucht festzuhalten. Beide Angeklagten entschuldigten sich bei Kennedy, der als Zeuge aussagte.
Zum Tathergang sagte Völkl, er habe in der Oberhofer Kurparkklause am 29. Oktober 1993 sein T-Shirt mit NS-Symbolen vor dem schwarzen Rennrodler Robert Pipkins gezeigt. Dieser und ein jüdischer Sportler seien ihm daraufhin auf die Toilette gefolgt, wo es zu einem Wortwechsel, aber nicht zu einer „großen Konfrontation“ gekommen sei. Etwa eine Viertelstunde nach diesem Ereignis seien zehn bis fünfzehn Skinheads in die Bar gekommen, hätten Affenlaute von sich gegeben und „Nigger raus!“ gerufen, sagte Kennedy aus. Daraufhin verließen die Amerikaner die Gaststätte.
Während der Schwarze fliehen konnte, sah sich Kennedy draußen von zehn bis zwölf Skins umringt. Sie hätten ihn mit Fäusten ins Gesicht geschlagen und zu Boden geworfen. Als Verletzungen gab Kennedy eine leichte Gehirnerschütterung an, seine Nase sei zwei Monate lang geschwollen gewesen, außerdem habe er etliche Blutergüsse am Körper davongetragen.
Tino Völkl bedauerte den Vorfall und sagte, man hätte die Dinge auch anders lösen können. Auch der Angeklagte Eschrich entschuldigte sich vor Gericht bei dem Amerikaner. Er sagte: „Ich habe mir darüber keinen Kopf gemacht, ob das amerikanische Sportler waren. Es waren halt Asylanten, habe ich gedacht.“
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