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Bald soll es in den Stammeskassen klingeln Von Andrea Böhm

Der Indianer, von einem gewissen Kolumbus als solcher tituliert, feiert derzeit in den USA ein Revival – wenn auch nicht im wörtlichen Sinn. Es ist Hollywood, das Abbitte leistet für Hunderte von Filmen und TV-Serien, in denen die Native Americans als johlendes Kanonenfutter für die US-Kavallerie, sadistische Skalpjäger oder tumbe, edle Wilde dargestellt wurden. Kevin Costner drehte „Der mit dem Wolf tanzt“ und machte Millionen seiner Landsleute mit dem Gedanken vertraut, daß es außer John Wayne auch noch andere gute Menschen im Wilden Westen gab. „Der letzte Mohikaner“ ließ am Ende immerhin die guten Indianer gegen die bösen gewinnen. Last not least, wird nun auch Geronimo in einem Filmepos geehrt. Demnächst folgt vielleicht eine Soap-opera über Sitting Bull oder ein Zwölfteiler über die Cherokees. Die echten IndianerInnen nehmen die Lernfähigkeit der FilmemacherInnen in Hollywood zwar wohlwollend zur Kenntnis, kümmern sich ansonsten aber um wichtigere Probleme. Vor allem darum, wie sie auf den trostlosen Landflecken, die ihnen die Weißen als Reservationen gelassen haben, für sich ein würdevolleres Leben gestalten können.

Was eignet sich zu diesem Zweck besser, als eben Kolumbus' Nachfahren etwas Geld aus der Tasche zu ziehen – am besten dann, wenn diese selber das große Geld machen wollen?

Über drei Millionen Dollar streichen die Mitglieder des Mashantucket-Pequot-Stammes im Bundesstaat Connecticut an einem guten Wochenende ein, nachdem die Kundschaft von der Ostküste in Bussen in das Spielcasino auf der Reservation eingerollt ist. Über solche Profite lächelt man in Las Vegas oder Atlantic City. Doch dort sind in der letzten Zeit immer häufiger Delegationen der Mohawks, Lakota, Gila, Onondaga oder Apache anzutreffen, die sich zwischen rosa fluoreszierenden Springbrunnen und Imitationen der ägyptischen Pyramiden die neuesten technologischen Entwicklungen und Designs für Poker- und Roulettetische ansehen – und mit den Casinogiganten über lukrative Verträge verhandeln. Was das Glücksspiel für die Nachfahren von Tecumseh und Cochise so attraktiv macht, ist eine Gesetzeslücke: In den meisten Bundesstaaten sind Spielhallen und Casinos verboten; indianische Reservationen unterstehen jedoch mehrheitlich der Bundesgesetzgebung – und die gestattet seit 1988 den Wett- und Spielbetrieb auf Reservationsterritorium. Ganz groß möchte Martin Antone einsteigen, Vorsitzender des Stammesrats der Ak-Chin-IndianerInnen in Arizona: Für 28 Millionen Dollar soll ein Luxuscasino à la Las Vegas entstehen mit dem klangvollen Namen „Oasis in the Desert“. Nun muß sich Antone beeilen, denn ein paar Kilometer weiter wollen die Brüder und Schwestern vom Stamm der Gila River Indians für 30 Millionen eine Glitzer- und Glücksspielwelt mit Hotels, Golfplatz und Bowlinghalle hochziehen. Und vor den Toren von Phoenix haben bereits die Apache der Fort-McDowell-Reservation ein Casino eröffnet. Was Antones Optimismus nicht weiter stört. Er könne das Geld schon riechen, das demnächst in den Stammeskassen klimpern werde, erklärte er der New York Times. Rien ne va plus, sprach Cochise, der Croupier, und ließ die Kugel rollen.

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