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■ Von der Berliner Kunst, das Falsche im Richtigen zu tunAusverkauf in Raten

Nein, manchmal tut man der Großen Koalition im Berliner Senat auch Unrecht mit dem Vorwurf, sie versage angesichts der ungeheuren Aufgabe, die einstige Mauerstadt auf eine Metropolenzukunft vorzubreiten. Von Zeit zu Zeit wird die Stadt durchaus von SPD und CDU mit Beweisen einer schlitzohrigen Chuzpe überrascht, die man durchaus als Politik bezeichnen kann, wenngleich einer fatalen. Beim Ausverkauf des Potsdamer Platzes an die Großkonzerne Daimler, Sony und Hertie hat der Senat jedenfalls demonstriert, wie man durchaus richtige Entscheidungen zum Schaden der Stadt konterkarieren kann — allein dadurch, daß man den ersten Schritt tut und den zweiten unterläßt.

Skandalös war allein der Verkauf an Sony: 101 Millionen Mark bezahlte der Konzern 1990 für das 30 000 Quadratmeter große Grundstück am Potsdamer Platz, schon damals ein mehr als günstiger Preis. Inzwischen hat Sony an dem Deal sogar gut verdient: Gut 40 Millionen erhielt der Konzern nämlich für ein Ausgleichsgrundstück zurückvergütet, weil der Senat leider, leider vergessen hatte, das für den Straßenbau notwendige Gelände abzuziehen. Wurde zuvor zum Dumpingpreis an Sony verkauft, kassierte der Konzern bei der Rückgabe den vollen Marktwert. Weitere 66 Millionen Mark durfte Sony vor Weihnachten einstreichen, weil der Senat die Stellplatzverordnung abschaffte — vorher mußten Investoren eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen bauen oder eine Ablösesumme zahlen.

Politisch war das ein durchaus sinnvoller Schritt zur Parkraumverknappung, um den Drang der Autofahrer in das Stadtzentrum zu bremsen — zumal, wenn man die Unternehmen stattdessen mit einer Nahverkehrsabgabe zur Kasse bittet. Daraus aber wird nichts. Obwohl der Senat dies angekündigt hatte, verzichtet er nun bis 1998 darauf und macht den Skandal perfekt. Bei den Konzernen — nicht nur am Potsdamer Platz — wird ob dieser zusätzlichen versteckten Subvention erst recht Bescherungstimmung aufkommen. Die Stadt Berlin, das hat der Senat damit klar gemacht, ist für Abzocker immer noch ein Platz an der Sonne. Gerd Nowakowski

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