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MG-Sanierung durch Kahlschlag

Geht das Konzept des neuen Metallgesellschafts-Vorstands auf, verlieren die Banken kaum eine Mark, aber jeder fünfte Beschäftigte seinen Arbeitsplatz  ■ Aus Frankfurt/Main Erwin Single

Auf Kajo Neukirchen sind die Mitarbeiter der Metallgesellschaft derzeit nicht gut zu sprechen. Von 750 Millionen Mark Personalkosten müsse sich die MG verabschieden, hatte der als Trouble- Shooter eingesetzte MG-Chef forsch verkündet. Bei der tiefgreifenden Sanierungsaktion werden mindestens 7.500 der derzeit 58.000 Beschäftigten noch in diesem Jahr blaue Briefe erhalten. Weitere 5.000 müssen im Rahmen der bereits laufenden Personalanpassung gehen. Das verriet Neukirchens Stellvertreter Heinrich Götz am späten Montagnachmittag der verunsicherten Belegschaft auf einer Betriebsversammlung.

Rund 1.000 Beschäftigte mußten mit anhören, wie die Geschäftsleitung den völlig überschuldeten Rohstoff-, Recycling- und Technologiekonzern aus den roten Zahlen ziehen will: Mit Einsparungen von Personalkosten und Verkäufen von Unternehmensteilen. Der von Neukirchen aus der Versenkung geholte frühere MG-Arbeitsdirektor konnte auch den von der Entlassungswelle Betroffenen nicht viel versprechen: Sozialpläne, so Götz, werde es im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten geben. Wer zwei und zwei zusammenzählen kann, weiß, was das bedeutet: Wo kein Geld ist, ist auch nichts zu holen.

Seit das mit seinen 258 Firmen weltweit verzweigte Industrieimperium am Wochenende gerade noch einmal am Konkurs vorbeischrappte, brach überall Erleichterung aus. Die drohende Pleite noch allzu deutlich vor Augen, dürfen Großaktionäre und Gläubiger nach der geglückten Rettungsaktion aufatmen. Klappt die Sanierung, haben sie kaum Geld eingebüßt.

Die Belegschaft dagegen muß nun den durch die Expansionswut und riskante Ölterminspekulationen der vor Weihnachten gefeuerten MG-Vorstände entstandenen Schaden ausbaden. „Das Versagen der Konzernleitung kommt die Beschäftigten nun teuer zu stehen“, so Volker Weber. Der Geschäftsführer der Frankfurter IG-Chemie-Verwaltungsstelle geht noch weiter: Mit dem Personalabbau würden Einschnitte vorgenommen, die langfristig die Basis des Unternehmens gefährden.

Noch liegt zwar das Sanierungskonzept nicht in allen Einzelheiten vor, doch das Gerede der Sanierungscombo Neukirchen & Co. vom teuren Standort Frankfurt deutet an, in welche Richtung die Weichen gestellt sind. Ein Gutteil der Arbeitsplätze wird vermutlich in der Konzernzentrale sowie beim profitablen Anlagenbauer und Umweltsanierer Lurgi, einer der Perlen des MG-Reiches, zur Disposition stehen. Auch einige Hütten der Norddeutschen Affinerie dürften den Sparplänen zum Opfer fallen.

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