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■ Press-SchlagOlympisch-feuriges Reinheitsgebot

Daß die olympische Flamme nicht mit Einwegfeuerzeug oder Streichholz ganz unprosaisch entzündet wird, dürfte allgemein bekannt sein. Das, was jeweils zur Eröffnungsfeier per Fackel ins Stadion getragen wird, haben weißgewandete Frauen Wochen zuvor mit einem Brennspiegel im heiligen Hain von Olympia entzündet. Was auch am letzten Wochenende mal wieder der Fall war, um Lillehammer zu erleuchten. Die olympische Flamme legt gerade noch eine kleine Rundreise durch Mitteleuropa und Skandinavien zurück und soll am 5. Februar per Flugzeug in Oslo eintreffen.

Doch die Norwegerinnen und Norweger tragen schon seit November eine eigene olympische Flamme durchs Land. Höchstpersönlich entzündet von ihrer Kronprinzessin Märtha Louise an einem Platz, der den Nordländern so heilig ist wie den Griechen ihr Olympia: Morgedal in Telemark, Geburtsstätte des modernen Skilaufs. Die norwegische Flamme hat mittlerweile schon den Weg durch das winterdunkle Lappland hinter sich, feierte Neujahr auf der Arktisinsel Spitzbergen und wird derzeit durch Mittelnorwegen wieder in den Süden gejoggt. Am 5. Februar soll sie gleichzeitig mit dem griechisch- olympischen Feuer in der Hauptstadt Oslo ankommen. Eine Verschmelzung beider Flammen hatte sich das Organisationskomitee von Lillehammer hier ausgedacht: Die „gemeinsame“ Flamme sollte dann am 12. Februar in Lillehammer eintreffen. Denn nur eine kann ja die ehrenvolle Aufgabe erfüllen, die Gasflamme von Lillehammer in Brand zu setzen.

Womit man aber die Rechnung ohne die Hüter des griechischen Olympiafeuers gemacht hatte. Heftige Proteste und Pochen auf das Reinheitsgebot: Es gebe nur eine olympische Flamme. Das mit dem Verschmelzen komme nicht in Frage. Dabei hatten die griechischen Olympiker in den fünfziger und sechziger Jahren die Flammenzeremonie bei den Winterspielen nicht so sehr ernst genommen. Sowohl 1952 zu den Spielen in Oslo als auch 1960 für Squaw Valley war das Feuer in Morgedal entzündet worden. Mittlerweile aber bleibt Griechenland beim Feuermonopol hart. Sogar Ministerpräsident Andreas Papandreou höchstpersönlich mischte sich in den Flammenstreit ein: Eine Verschmelzung der Flammen sei ausgeschlossen.

Ein Kompromiß mußte gefunden werden. Oder sollten 7.000 stolze norwegische Stafettenläuferinnen und -läufer das Morgedal-Feuer durchs Land geschleppt haben, damit es unehrenhaft irgendwo am Straßenrand erlischt? Die Lösung: Am 5. Februar wird das griechische Feuer allein in Oslo eine Fackel anzünden, die es dann nach Lillehammer trägt. Das norwegische Feuer aber soll sich dieser Fackel „nähern“ dürfen, die Flamme allerdings nicht treffen, kreuzen, berühren oder gar mit ihr unsittlich verschmelzen.

Auch wenn die Sport- und Kulturministerin Ase Kleveland den von ihr selbst mit ausgehandelten Kompromiß als „geringfügiges Zugeständnis“ feierte – „die Olympiade wird doch im Zeichen von Frieden und Freundschaft veranstaltet, da sollte man sich nicht über solche Kleinigkeiten streiten“: Den einheimischen Flammenpatrioten und der Stafettenbasis stinkt der Kompromiß gewaltig.

Es geht schließlich ums Prinzip, und da ist die bloße Annäherung gar nichts wert. Es „sei schon schlimm genug, daß diese Griechen mit ihrem eigenen Feuer nach Lillehammer“ kämen, grollte Inge Fjalestad, Bürgermeister der Gemeinde, auf deren Gebiet die Morgedal- Flamme entzündet wurde: „Unsere Flamme in Oslo zu löschen ist dumm, unakzeptabel und unehrenhaft. Schließlich hat ja mit Prinzessin Märtha Louise sogar ein Mitglied unseres Königshauses sie entzündet.“ Fjalestad und andere fordern einen zumindest parallelen Fackellauf beider Flammen bis Lillehammer.

Gemunkelt wird auch über eine außerplanmäßige Zufallsverschmelzung, wobei verschiedene Varianten diskutiert werden: Der Schlußläufer wird von plötzlichen Sehstörungen befallen, er nähert zu nahe und verschmilzt dadurch. Er stolpert unmittelbar vor der griechischen Flamme und verunreinigt diese dabei mit der norwegischen. Ein plötzlicher Hustenanfall läßt die Morgedal- Flamme kurzfristig mit der olympischen zusammenlodern. Daß diese Varianten bereits in einem geheimen Trainingslager einstudiert werden, soll aber ein böses Gerücht sein. Reinhard Wolff

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