: Staatsknete für Stahlbarone
Überzählige Stahlkocher sollen in Stahlstiftung abgeschoben werden / Für normale Sozialpläne fehlen Krupp-Hoesch und Thyssen das Geld ■ Aus Bochum Walter Jakobs
Für die Stahlkocher an Rhein und Ruhr wird es ernst. Ein weiterer drastischer Arbeitsplatzabbau zeichnet sich sowohl bei der Thyssen Stahl AG wie bei der Stahlsparte im fusionierten Krupp- Hoesch-Konzern ab. Dabei ist eines gewiß: Eine Fortführung der bisherigen Sozialplanregelungen, die den ausscheidenden Stahlarbeitern bis zur endgültigen Verrentung etwa 90 Prozent ihres letzten Nettogehaltes garantierten, wird es bei dem neuerlichen Belegschaftsabbau nicht geben.
Bei der Krupp-Hoesch Stahl AG stehen zusätzlich zu dem schon im vergangegenen Jahr beschlossenen Abbau von 7.500 Arbeitsplätzen 1994 weitere 8.000 Jobs zur Disposition. Offiziell hat das Unternehmen diese Zahl zwar noch nicht bestätigt, aber im Gespräch des Konzernchefs Gerhard Cromme mit Arbeitnehmervertretern war genau davon die Rede. Dabei steht die Abwicklung der letzten Schließungswelle noch aus. So sind etwa rund 600 Stahlkocher von der stillgelegten Krupp-Hütte aus Rheinhausen bis Ende Juni noch in einem sogenannten Einsatzbetrieb auf Kurzarbeit Null gesetzt. Ob die sich zum Teil in Umschulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen befindenden Ex- Stahlkocher wie geplant unterzubringen sind, steht in den Sternen.
Inzwischen haben die hohen Verluste im Stahlbereich den ohnehin unter einer schweren Schuldenlast leidenden Krupp-Hoesch- Konzern an den Rand des Abgrunds geführt. Mit knapp 6,2 Milliarden Mark ist der Konzern dem Manager-Magazin zufolge verschuldet. 850 Millionen Mark Verlust erbrachte das Stahlgeschäft 1993, ein Jahr zuvor waren es 375 Millionen Mark. Für weitere Sozialpläne – im Schnitt mußte das Unternehmen rund 100.000 Mark pro abgebauten Arbeitsplatz aufbringen – fehlt das Geld.
Um Massenentlassungen zu verhindern, müsse das Land mit einer Stahlstiftung nach dem Muster des Saarlandes einspringen, fordern nun die Konzernchefs von Krupp-Hoesch und Thyssen unisono mit der IG Metall. Dort sollen die Stahlarbeiter umgeschult und bis zur Vermittlung einer neuen Stelle bei im Vergleich zu ihren alten Nettolöhnen um 10 bis 15 Prozent gekürzten Bezügen „geparkt“ werden. Die Düsseldorfer Landesregierung kostet dieses Modell mindestens 500 Millionen Mark – Tendenz steigend. Auch die Thyssen Stahl AG will weitere Arbeitsplätze streichen. Der geplante Abbau von 13.000 Stahljobs bis zum September 1994 auf dann noch noch rund 27.000 Beschäftigte reicht nicht. 7.000 zusätzliche Jobs sind nach Informationen aus Belegschaftskreisen akut gefährdet. Auch diese Zahl wird offiziell noch nicht bestätigt, aber sicher ist, daß es in der Langproduktion (Schienen, Draht, Profile), wo 7.000 Leute beschäftigt sind, nicht bei der in der vergangenen Woche angekündigten Zahl von 1.250 abzubauenden Arbeitsplätzen bleibt. Das könne der „Anfang vom Ende“ in dieser Sparte sein, räumte ein Thyssen-Sprecher ein.
Das Rau-Kabinett erwartet von beiden Unternehmen zunächst die Vorlage eines „industriellen Gesamtkonzeptes“. Viel Zeit bleibt nicht. Vor allem Krupp-Hoesch steht das Wasser bis zum Hals. Während ein Teil der Krupp- Hoesch-Betriebsräte einen Zusammenschluß beider Unternehmen unter Beteiligung der Westdeutschen Landesbank propagieren, planen die Vorstandsvorsitzenden lediglich eine Fusion ihrer profitablen Elektrostahl- und Weißblechkapazitäten. Genau das Herauslösen dieser Filetstücke wollen die Betriebsräte mit Hilfe der paritätisch besetzten Aufsichtsräte verhindern. Sie fürchten, daß der Druck auf die besonders verlustträchtigen und beschäftigungsintensiven Flachstahlbereiche bei einer Teilfusion noch weiter zunimmt. Ganz anderer Druck kommt inzwischen von der CDU. Deren Bezirksvorsitzender Norbert Lammert bezeichnete gestern die Forderungen nach weiteren Landesmitteln als „nicht akzeptabel“. Arbeitszeitverkürzung mit Lohnverzicht wie bei VW und im Bergbau sei auch der Stahlindustrie „zuzumuten“. Für die Landesregierung wiegt dieses Argument schwer, denn neben 20.000 Stahljobs gingen letztes Jahr in Nordrhein-Westfalen etwa 200.000 weitere Arbeitsplätze verloren. Den Arbeitslosen aus anderen Branchen ist aber nicht zu vermitteln, daß das Land dazu beiträgt, Stahlarbeitern weiter über eine Art Frühverrentung ab 52 Jahre rund 90 Prozent ihrer Bezüge zu garantieren, während sie sich mit Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe bescheiden müssen.
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