: Bonn verlegt Paßkontrolle ins Ausland
■ Fährpersonal soll Flüchtlinge schon in Dänemark und Schweden stoppen
Stockholm (taz) – Die Reedereien mit Fährschiffahrt zwischen Skandinavien und Deutschland haben laut eigenen Angaben vom Innenministerium in Bonn die Auflage erhalten, ab 1. April die Pässe und Einreisepapiere aller Passagiere mit Ziel Deutschland bei der Ausreise aus Schweden und Dänemark zu kontrollieren. Kämen sie dieser Kontrollaufgabe nicht nach, dann drohten Geldbußen von bis zu 30.000 Mark. Bonn will mit dieser Maßnahme offensichtlich ein letztes Schlupfloch dichtmachen, durch das bislang Asylsuchende deutschen Boden betreten konnten, um hier einen Asylantrag zu stellen, ohne im Vorfeld abgefangen zu werden. Rechtlich beruft sich das deutsche Innenministerium auf die entsprechende Vorschrift im Ausländergesetz über die Transportverantwortung.
Nach Aussage von Lars-Ake Martensson, dem schwedischen Verkehrschef der TT-Linie, die zwischen Rostock, Travemünde und Trelleborg Fährverkehr betreibt, wurden der Reederei geradezu haarsträubende Vorschläge für eine vom Kontrollgesichtspunkt bessere Handhabung des Verkehrs gemacht: Man solle die Passagiere „nach dem Aussehen“ vorsortieren. Auf den Fähren solle das Personal die verschiedenen Spuren für die Autos nach dem mutmaßlichen Herkunftsland der Insassen laden. Spuren mit „nördlich und deutsch“ aussehenden Insassen würde die deutsche Grenzpolizei zuerst und ohne große Kontrollen abfertigen. Die Autos mit „fremdländisch“ aussehenden Insassen sollte das Personal erst am Schluß der Entladeprozedur von Bord winken, damit sie von der Grenzkontrolle eingehend gefilzt werden können.
Martensson: „Wir haben ihnen bislang ohne Erfolg klarzumachen versucht, daß man auf diese Weise kein Fährschiff be- und entladen kann. Außerdem ist es doch Unsinn, nach dem Aussehen zu sortieren.“ Überhaupt wehren sich die Reedereien gegen die Anmaßung Bonns, ihnen Aufgaben der Paßkontrolle aufzudrücken. Martensson: „Wir haben dazu weder die Ressourcen noch die Kompetenz.“ Doch Bonn meint es offenbar ernst. Für Februar haben sich deutsche Grenzpolizisten in Trelleborg angekündigt, um dort das Personal der Reederei ins deutsche Ausländerrecht einzuführen.
Für den Verkehr über die „Vogelfluglinie“ zwischen Puttgarden und dem dänischen Rödby hat Bonn den Reedereien sogar eine Frist bis zum 24. Januar gesetzt. Die Zahlen, die Bonn zu solchen rechtlich fragwürdigen Klimmzügen veranlassen: In den letzten Monaten sollen etwa 500 Asylsuchende auf diesem Weg und über die deutsch-dänischen Landübergänge eine Einreise nach Deutschland versucht haben.
Dänemark wurde von Bonn so unter Druck gesetzt, daß nun an der „EU-Grenze“ zwischen Schweden und Dänemark hundert zusätzliche Paßpolizisten eingesetzt werden sollen, um schon dort die Papiere zu kontrollieren. Wie das funktionieren soll, ist unklar. Zwischen beiden Ländern besteht schon seit den fünfziger Jahren eine Paßunion: Kein skandinavischer Bürger muß ein Ausweispapier bei sich haben, überschreitet er die innernordischen Grenzen. Reinhard Wolff
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen