: „Schlag ins Gesicht dieser Gesellschaft“
■ Reaktionen auf die Absage des Fußball-Länderspiels gegen England am 20. April in Hamburg
Mit viel Applaus hat Werner Hackmann nicht gerechnet, als er dem Deutschen Fußballbund (DFB) eingestehen mußte, daß er für das geplante Fußballänderspiel gegen England am 20. April in Hamburg keine befriedigenden Sicherheitsgarantien geben könne. Doch daß er nach der Absage dieser Begegnung dermaßen in die Schußlinie der Kritik gerät, hat sich der Innensenator nicht träumen lassen.
Die leitenden Angestellten des DFB, allen voran Bundestrainer Berti Vogts, zetern und sehen in der Entscheidung des sozialdemokratischen Ordnungspolitikers, das Spiel aufgrund der zu erwarteten Ausschreitungen rechtsradikal gefärbter Hooligans an Hitlers Geburstag, dem 20. April, ausfallen zu lassen, als einen „Schlag ins Gesicht dieser Gesellschaft“.
Ähnlich sieht es auch Ignaz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, der sich gestern auf einer außerordentlichen Bezirkskonferenz der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) zu dieser Problematik äußerte. „Für uns ist der 20. April ein Tag wie jeder andere auch“, sagte Bubis vor den Delegierten im Besenbinderhof. „Ich verstehe nicht, wie ein Staat, der doch das Gewaltmonopol innehat, aus Angst vor Gewalt ein Freundschaftsspiel absagt. Die Regierung darf vor Fremdenfeindlichkeit und Neonazismus nicht zurückweichen“, betonte er in einem Grundsatzreferat zum Thema „Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus“. Er habe kein Verständnis dafür, warum der Staat mit der zahlenmäßig kleinen Gewalttätergruppe nicht fertig wird. Bubis forderte deshalb mehr Strenge und härteres Durchgreifen gegen rechtsradikale Gewalttäter. Und Bubis bedauert: „Die Aufmerksamkeit, die der Termin jetzt erfährt, schadet mehr als daß sie nutzt.“
Auf law and order hätte auch Willy Daume, Ehrenpräsident des Nationalen olympischen Komitees, gerne gesetzt.“Es hat sich bei vergleichbaren Ereignissen gezeigt, daß die Sicherheitsbehörden deutsche und englische Hooligans durchaus im Griff hatten“, sagte der Funktionärsoldie und stellte fest:. „Der deutsche Sport ist eine sichere Bastion.“
„Vernunft“ attestiert die konservative britische Zeitung Daily Telegraph der Entscheidung des Hamburger Innesenators, während der Daily Mirror kommentiert: „Der Zeitpunkt des Spiels war offenbar falsch gewählt worden, aber die Absage ist zugleich auch eine Kapitulation vor den Hooligans.“.
Kontroversen, die sich der DFB und der Hamburger Innensenator hätten sparen können. Schon unmittelbar nach der Bekanntgabe des Länderspielgegners hat Dieter Bänisch, Geschäftsführer der Hamburger Fanprojekte und als Betreuer der HSV-Hools profunder Kenner der Szene, Hackmann über die Sicherheitsrisiken und das spezielle Gewaltpotential dieser Begegnung gewarnt.
Das war im Herbst 1993, noch bevor sich eine Initiative zur Verlegung der beiden geplanten Länderspiele am 19. und 20. April in Hamburg gebildet hatte. Hackmann zeigte sich zögerlich, der DFB verharmloste – wie schon seit Jahren – die Hooligan-Problematik, sagte aber schließlich unter der fadenscheinigen Begründung, daß es am Millerntor nicht genügend Parkplätze geben würde, das für den 19. April geplante B-Länderspiel im Wilhelm-Koch-Stadion ab.
Ein Einsehen, daß nationale Weihestunden, wie Länderspiele gegen renommierte Gegner, neben reinen Sportfans auch Rechtsradikale und Hooligans in die Fußballstadien locken, und deshalb ein solcher Termin von vornherein ungünstig gewählt war, hat der DFB unterdes noch nicht. Statt dessen fürchtet Wolfgang Niersbach, Pressesprecher des DFB: „Nach dieser Absage wird der Sportstandort Deutschland noch kritischer beäugt werden als bisher.“
Maßnahmen, wie die ausreichende finanzielle Unterstützung von pädagogisch betreuten Fanprojekten, Stadionverbote für rechtsradikale Hooligans und die Entfernung von Reichskriegsflaggen und anderen ultranationalistischen Insignien aus deutschen Stadien, sind beim Multi-Millionenunternehmen Deutscher Fußballbund bisher nicht in der Planung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß weiterhin in den Stadien nicht nur Fußballer sondern auch Hooligans ihre Arena haben werden.
Kai Rehländer
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