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„Ich will weiblicher als andere Männer sein“

■ Ein Gespräch mit Christian Fischer, der durch eine Operation zum Mann geworden ist

Christian Fischer*, Anfang 40, lebte bis vor eineinhalb Jahren als Frau, schrieb zwei Bücher zu feministischen Themen, engagierte sich in der Frauenbewegung und arbeitete über zehn Jahre als feministische Therapeutin. Vor knapp drei Jahren entschloß sich Christine Fischer, als Mann zu leben und sich einer geschlechtsangleichenden Operation zu unterziehen.

taz: Seit wann spürten Sie, daß Sie als Mann leben wollen?

Christian Fischer: Das ist ein langer Prozeß. Die letzte Entscheidung habe ich erst 1991 getroffen. Ich habe aber schon vor über zehn Jahren versucht, in Therapien anzusprechen, daß ich mich als Mann fühle. Das ist nie ernst genommen worden. Es wurde als Phantasie abgetan.

Was heißt es, sich als Mann zu fühlen?

Entscheidend dafür ist das Körperbild. So wie man sich selbst innerlich sieht. Ich habe mich mein ganzes Leben lang als Mann gefühlt. Schon mit elf, zwölf Jahren hatte ich von mir das Bild, daß ich einen männlichen Körper habe. Für mich selber sah ich aus wie ein Junge. Natürlich wußte ich, daß das nicht stimmte. Wenn ich mich im Spiegel sah, habe ich mich immer erschrocken.

Auf wen kommt es bei der Beurteilung, ob Sie Mann oder Frau sind, an? Auf Sie selber oder vielmehr auf Ihre äußere Umgebung?

Das hat mit der Umgebung gar nichts zu tun. Sich als Mann oder Frau zu fühlen wird oft mit der sozialen Rolle verwechselt. Das ist ein Irrtum. Es ging um mein Körpergefühl. Als ich in der Pubertät einen Busen bekam, war das widerlich für mich. Der gehörte da einfach nicht hin.

Abgesehen von den körperlichen, biologischen Merkmalen – was macht für Sie das „Mann- Sein“, das „Frau-Sein“ aus?

Ich bin sehr weiblich aufgewachsen und erzogen worden. Ich würde sagen, ich bin weiblicher als viele Frauen. Trotzdem bin ich keine Frau.

Was heißt weiblich?

Da wird es natürlich schwierig. Mir ist es wichtig, auseinanderzuhalten, was das Körperbild ist, das sehr tief sitzt, und was die soziale Rolle ist, was es also heißt, weiblich zu sein bzw. wie Frauen sich allgemeinhin verhalten oder was ihnen zugeschrieben wird. In dem Sinne bin ich recht weiblich, weil ich sehr gefühlvoll bin, manchmal ängstlich, ein bißchen harmonisierend. Ich bin eher verbindlich und nicht so cool und hart. Das sind Eigenschaften, die heute noch als weiblich gelten.

Und wollen Sie die jetzt verändern als Mann, lehnen Sie „weibliche“ Eigenschaften ab?

Zum Teil lehne ich sie ab, weil ich gerne etwas cooler wäre. Aber nicht, weil das als männlicher gilt, sondern weil ich mich manchmal zu sehr emotional verwickele, und das ist einfach anstrengender. Insgesamt halte ich weibliche Verhaltensweisen für begrüßenswert. Viele Verhaltensweisen, die Männer zeigen, lehne ich ab. Deshalb möchte ich „weibliches“ Verhalten auch nicht ganz ablegen. In den letzten Jahren war das allerdings schwer. Ich mußte ja verschiedene Gutachten haben, um die Behandlung machen zu können. Da gibt es von seiten der Gutachter und Richter richtige Stereotypen, wie du dich verhalten mußt. Mir ist da bewußt geworden, wie weiblich ich in vielerlei Hinsicht bin, und ich habe versucht, das zu unterdrücken. Um den Maßstäben gerecht zu werden, habe ich mich angepaßt. Erst jetzt, wo ich alles hinter mir habe, kann ich endlich für mich gucken, wer ich überhaupt bin.

Sie haben sich bislang als Feministin verstanden und sich vorwiegend in homosexuellen Frauenkreisen bewegt. Sind Sie jetzt ein Feminist und heterosexuell?

Homosexuell stimmt nicht ganz. Nach außen hin habe ich mich als Lesbe definiert. Ich dachte: Das muß es ja wohl sein, wenn ich Frauenbeziehungen habe. Schon mit 13 war ich in eine Freundin verliebt, und mit 17 hörte ich dann das erste Mal den Begriff lesbisch. Da dachte ich natürlich „aha, das ist es also“. Ich habe dann mit anderen Frauen in meinem Wohnort die erste lesbische Frauengruppe gegründet. Da ich für mich selber aber Mann war, habe ich mich als heterosexuell empfunden. Zuerst dachte ich, alle Lesben empfinden das so, bis ich begriff, daß das gar nicht so ist. Und dann stieß ich zum ersten Mal 1976 auf den Begriff „transsexuell“. Der traf mich total im Kern. Ich wußte sofort, das stimmt, und dachte gleichzeitig, das kann nicht wahr sein.

Sie haben als Feministin dagegen gekämpft, daß Frauen als das entwertete Geschlecht gelten und alles Männliche höher bewertet wird. Ist es da nicht eine gewisse Schizophrenie, als Feministin zu sagen: Ich will ein Mann sein?

Nein. Ich habe das zwar lange Zeit so empfunden, daß ich als Feministin nicht sagen darf, ich fühle mich als Mann. Genau aus dem Grund, um nicht das Männliche aufzuwerten.

Inzwischen sehe ich das anders. Männer und Frauen sind rein körperlich erst einmal unterschiedliche Geschlechter. Mit Wert hat das noch nichts zu tun. Das Schlimme ist, daß daraus Verhaltensweisen und -regeln abgeleitet werden: wie sich Männer gegenüber Frauen zu verhalten haben oder daß Männer in Machtpositionen sind usw. Das muß gesellschaftlich aufrechterhalten werden. Transsexuelle werden da stark reingedrängt, nicht nur von Gutachtern, sondern auch in der theoretischen Diskussion. Wenn ich meine, ich bin ein Mann, dann wird mir das nur zugestanden, wenn ich mich so und so verhalte, so und so fühle, so und so gebe oder das und das tue. Damit wird versucht zu verhindern, daß Männer oder Frauen aus ihren Rollen ausbrechen. An Transsexuellen wird dabei ein Exempel statuiert, durch Rechtsprechung, Gutachten und Medizin. Ich möchte sagen können, ich bin ein Mann, und mir trotzdem das Recht rausnehmen, mich weiblicher als andere Männer verhalten zu können.

Für die feministische Diskussion halte ich es für wichtig, viel genauer zwischen der biologischen Zugehörigkeit und der Rollenzuschreibung zu differenzieren.

Meinen Sie, daß die Frauenbewegung Biologismen fortschreibt?

Wenn das Mann-Sein einfach akzeptiert würde in dem Sinne, sich als Mann zu fühlen, und wenn nicht im gleichen Atemzuge sämtliche Verhaltenszuschreibungen vorgenommen würden, dann wäre das ein Fortschritt. Dann könnten viel mehr Freiheiten entstehen.

Für mich gibt es im feministischen Denken den Widerspruch, Biologismus abzulehnen, ihn gleichzeitig aber auch zu praktizieren.

Sie haben also keinen „Verrat“ begangen?

Ich habe das lange Zeit selber als möglichen „Verrat“ gesehen und bin deshalb defensiv damit umgegangen. Früher bin ich ständig zu Frauenkongressen gefahren, das waren soziale Bezüge für mich. Oder ich habe meine Bücher in den Frauenbuchladen gebracht. Da ich jetzt ein Mann bin, geht das nicht mehr. Das ist für mich schmerzvoll, ich nehme es aber in Kauf. Geblieben sind mir Freundinnen, die meinen Schritt akzeptieren. Dennoch muß es in der „Frauenszene“ diskutiert werden. Für mich gibt es zwei Ebenen: Zum einen akzeptiere ich beim Frauenbuchladen, daß es Schutzräume für Frauen gibt, und halte mich dran. Zum anderen finde ich, daß eventuelle Biologismen im eigenen Kopf reflektiert werden müssen. Bei Transsexualität wird das deutlich: Frühere Männer, die männlich sozialisiert wurden, werden nun als Frauen nicht aus einer Frauenveranstaltung rausgeschmissen. Genauso gibt es doch biologische Frauen, die sehr „männlich“ denken, sich „männlich“ verhalten, zum Beispiel in der Lesbenbewegung manche „kessen Väter“. Die sind für Frauenzusammenhänge viel bedrohlicher als ein Mann, der sich als Feminist versteht.

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