: Alle Treuhandakten bleiben geheim
■ Theo Waigel und Abgeordnete der Koalition verschleiern gemeinsam
Berlin (taz) – Die Arbeitsteilung zwischen Bundesfinanzminister Theo Waigel und den Abgeordneten der Koalition im Treuhanduntersuchungsausschuß klappt prima. Seit Monaten schon warten die ParlamentarierInnen auf Akten aus der Treuhand und dem Finanzministerium. Waigel wollte nur dann etwas rausrücken, wenn die VolksvertreterInnen seine Einstufung fast des gesamten Materials als geheim akzeptieren würden. „Die SPD fürchtet, daß viel schönes Futter, das man an die Presse weitergeben könnte, gesperrt bleibt“, kommentierte ein Ministeriumssprecher. Das Vertrauen der Investoren in Ostdeutschland stehe auf dem Spiel; ihre Privatgeheimnisse, Bilanzen und Unternehmenskonzepte dürften auf keinen Fall bekanntwerden. Die Geheimschutzordnung des Bundestages aber sieht nur die Möglichkeit vor, Staatsgeheimnisse als Verschlußsache zu behandeln. „Die Veränderung der Geheimschutzordnung obliegt allein dem Bundestag insgesamt“, stellt der Ausschußvorsitzende Otto Schily in einem Brief ans Finanzministerium klar. Die Regierung aber will Geschäftsgeheimnisse zu Staatsgeheimnissen machen.
Obwohl Datenschützer darauf hingewiesen hatten, daß ein Untersuchungsausschuß abwägen müsse, ob die persönlichen Rechte des einzelnen oder die parlamentarische Kontrolle höher zu bewerten sei, hielt Waigel die Akten weiter zurück. Die SPD-Ausschußmitglieder diskutierten bereits ein Eilverfahren beim Bundesverfassungsgericht: Schließlich hat der Untersuchungsausschuß nur noch ein Dreivierteljahr Zeit. Da übernahmen am Mittwoch abend die Koalitionsabgeordneten die Rolle der Verschleierer. Sie bügelten mit ihrer Mehrheit einen SPD-Antrag ab und verpflichteten den Untersuchungsausschuß auf Geheimhaltung aller privater Daten – ansonsten droht den Abgeordneten ein Strafrechtsverfahren. Eine Abwägung zwischen öffentlichen und persönlichen Interessen kann damit nicht mehr stattfinden.
Jetzt will das Finanzministerium zwar endlich die angeforderten Akten liefern. Aber die Protokolle des Treuhand-Verwaltungsrats, von denen sich die Opposition Aufschluß über das Verhältnis der Breuel-Behörde zum Finanzministerium erhofft, sollen unzugänglich bleiben. Wie es genau zu bestimmten Entscheidungen gekommen sei, ginge auch den Untersuchungsausschuß nichts an, argumentiert der Justitiar der Treuhand. Es gäbe einen unausforschlichen Kernbereich der Exekutive. Zwar kann die Opposition auch gegen diesen Beschluß die höchsten Richter in Karlsruhe anrufen. „Ich glaube aber, daß dafür ein Eilverfahren nicht möglich ist“, schätzt Andreas Balden, Mitarbeiter bei Bündnis 90/ Die Grünen ein. Damit hätte Theo Waigel dann, dank der Kumpanei seiner Koalitionskollegen im Untersuchungsausschuß, wieder Zeit gewonnen. Annette Jensen
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