: Avantgarde, im Dutzend billiger
■ Die Kunst im Preis-/Leistungsvergleich (Teil 1): Künstler fordern „Ausstellungshonorar“ – nur wieviel, weiß keiner
Wie schön, wenn uns die Kunst schon im Wartezimmer empfängt, um uns Schmerz und Langeweile zu vertreiben. Angenehm, wie sie uns in der Kassenhalle umgibt, uns in der Bücherei begleitet und notfalls im Museum uns erhebt. Ja, die Kunst ist nahezu allgegenwärtig – allein die Künstler profitieren von dieser Wertschätzung zuletzt. Die interessierte Öffentlichkeit soll daher zahlen: Überall dort, wo Kunst gratis zur Schau gestellt wird, soll die Arbeit des Künstlers künftig mit einem festen „Ausstellungshonorar“ vergütet werden. Was unter Leidensgenossen auch unter dem Schlagwort „Guckgeld“ gehandelt wird, soll den Künstlern die Existenz sichern helfen. Eine neuerliche Initiative, die auch von Bremer Künstlern unterstützt wird, soll die Honorargarantie im Urheberrecht verankern. Damit verbunden aber ist die ungelöste Frage: Wieviel veranschlagt man eigentlich fürs Bildergucken, und wieviel ist die Kunst uns wert?
Da ist man sich auch unter Künstlern nicht ganz sicher. Im Gesetzentwurf, den die IG Medien jetzt an die Bundestagsparteien herantrugen, ist lediglich von einem „angemessenen Ausstellungshonorar“ die Rede. Einigkeit herrscht hingegen, was die Rechtmäßigkeit der Forderung betrifft. Bisher sei das werte Publikum davon ausgegangen, „daß bildende Künstler die größte Freude darin finden, daß ihre Werke überhaupt gezeigt werden, und daß diese Freude für sie nicht nur eine immaterielle, sondern auch materielle Entschädigung darstellt.“ So spricht Gerhard Pfennig von der VG (Verwertungsgesellschaft) „Bild-Kunst“, der zusammen mit den IG Medien und dem Berufsverband Bildender Künstler (BBK) die Initiative ergriff. Nun fordert Pfennig gleiches Recht für alle: So, wie z.B. für jeder Musiker von der Veröffentlichung seines Werkes via Rundfunk profitiert, müßten auch die Künstler ein „Nutzungsentgelt“ kassieren dürfen.
Für jedes verliehene Buch, für jede CD und jedes Videokassette, so rechnet's Pfennig vor, werden qua Urheberrecht Abgaben gezahlt. Da wäre es nur billig, die dort geltenden Sätze auch auf Kunstleihgaben zu übertragen, bekräftigt sein Kollege Klaus Geldmacher von den IG Medien. „Zwischen fünf bis zehn Prozent des jeweiligen Ausstellungsetats“ müßten die Aussteller demnach zahlen; die VG Bild-Kunst könnte den Geldsegen dann problemlos an die bedürftigen Künstler überweisen.
So einfach ginge das – wenn das Malen, Bildhauern und Installieren, wenn das ganze Kunstschaffen sich wie jede handelsübliche Dienstleistung berechnen ließe. Aber über ein differenziertes Tarifmodell, das die Basis für die Ausstellungshonorare bieten würde, zerbrechen sich die Fachleute bisher noch ergebnislos die Köpfe. Der heimische BBK schlägt vor, u.a. die Arbeits- und Ausstellungsdauer in Rechnung zu stellen. „Natürlich gibt es auch ästhetische Kriterien, aber die sind unheimlich schwer zu bestimmen“, sagt Ursula van den Busch vom BBK-Vorstand. Zur Zeit testet sie einen „Kunst-Verkaufspreis-Generator“, ein kostenloses Computerprogramm „zur Ermittlung von möglichst realistischen Verkaufspreisen für Kunstwerke“. Knapp 50 Variablen werden da zu jedem Kunststück abgefragt. Größten Raum nimmt dabei die Präsenz des Küsntlers in den Medien und auf dem Kunstmarkt ein; aber auch das Lebensalter des Künstlers, die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse und die Höhe und Breite des Werkes werden hier einkalkuliert.
Auf ihre langjährige Erfahrung gründet hingegen Marikke Heinz- Hoek ihr Werturteil. Die Bremer Künstlerin zählt zu den Erstunterzeichnenden der Initiative. Im Vergleich von Werken ergäben sich Maßstäbe, „die von allen geteilt werden“, von Juroren wie Künstlern. Darüberhinaus böten die Bildformate Anhaltspunkte für den Preis. Ihr Kollege Jimmi D. Päsler hat ausgerechnet, daß die berühmten Bremer Wandbilder im Schnitt für 250 Mark pro Quadratmeter gehandelt werden. „Der Zeit- und Materialaufwand läßt sich dann ungefähr hochrechnen“ – wobei noch nichts über die künstlerische Qualität gesagt sei.
Feste Sätzen „zwischen 2000 und 5000 Mark“ pro Nase und Ausstellung schlägt hingegen Hans- Joachim Manske vor. Als Leiter der Städtischen Galerie würde er zu denjenigen gehören, die das „Guckgeld“ zahlen müßten, wenn die Gesetzesänderung durchkommt. Anders als viele andere Kunsthallen- und Museumsleiter wäre er bereit, die Honorare in seine Haushaltsplanung einzurechnen – auch, „wenn wir dadurch das Ausstellungsprogramm etwas strecken müßten“. Er sieht allerdings auch die Gefahr, daß die Kunsthäuser künftig „nur noch die vermeintlich besseren Künstler ausstellen, die mehr Besucherzahlen bringen“. Freiwillig gezahlt habe die Städtische Galerie bisher noch nichts. Allein der BBK ging mit gutem Beispiel voran: Den Künstlern der Gruppenausstellung „Kunstforum Nord“ zahlte van den Busch 1000 Mark per Dienstleister.
Daß sowas zur Regel wird, steht trotz aller Initiativen nicht so bald zu erwarten. Klaus Geldmacher berichtet von einer „Zusage der SPD- Bundestagsfraktion“, eine Vorlage zu erarbeiten, „ist aber alles unverbindlich“. Um das Gesetz wie erhofft „noch in dieser Legislaturperiode“ zu ändern, „müssen die Künstler nochmal Druck machen. Thomas Wolff
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