DIN schlägt aus der Norm

■ Beim "Deutschen Institut für Normung" soll die Arbeitszeit verlängert werden / Übten Großunternehmen Druck aus?

Ob es um die Ergonomie von Stühlen geht, die Größe von Steckdosen oder um unverbleites Benzin – unzähligen technischen Regelungen hat das „Deutsche Institut für Normung e.V“ (DIN) seinen Stempel aufgedrückt. Während jedoch in Teilen der Industrie und der öffentlichen Verwaltung über Arbeitszeitverkürzung diskutiert wird, schlägt das DIN aus der Norm. Die Geschäftsleitung will nach einem der taz vorliegenden Papier den bundesweit 800 Mitarbeitern – davon allein 600 in der Berliner Zentrale in der Burggrafenstraße – künftig die 40-Stunden- Woche verordnen. Verärgerung löste bei den Beschäftigten vor allem die Nachricht aus, daß sie zugleich auf einen Gehaltsausgleich verzichten sollen.

Nach einer Betriebsvereinbarung, die sich an den Tarifvertrag der Metallbranche anlehnt, wird derzeit noch 36 Stunden in der Woche beim DIN gearbeitet. Mit dem Versprechen, 24 Monate lang keine betriebsbedingten Kündigungen vorzunehmen und anschließend die Arbeitszeit wieder auf das heutige Maß herunterzufahren, möchte die Geschäftsleitung den Mitarbeitern die Mehrarbeit versüßen. „Es ist anvisiert, daß Betriebsrat und Geschäftsleitung bis Ende März zu einer Einigung kommen“, bestätigt DIN-Pressesprecher Albrecht Geuther die internen Vorschläge.

Die Arbeitszeitverlängerung solle nach Ansicht der Geschäftsleitung dazu dienen, das DIN als Dienstleistungsanbieter „operationsfähig“ zu halten. Der Gesamtetat sei von 164 Millionen Mark 1992 auf 155 Millionen Mark im letzten Jahr gesunken, so Geuther. Rund 70 Prozent der Einnahmen des als Verein organisierten Instituts speisen sich aus dem Verkauf der Normen und der begleitenden Fachliteratur, die über den hauseigenen „Beuth-Verlag“ vertrieben werden. Hinzu kommen projektbezogene Fördermittel durch Bund, Länder und Industrie sowie Beiträge der 6.230 DIN-Mitglieder; darunter sind neben Verbänden, Versicherungsgesellschaften, Gewerkschaften auch fast alle bedeutenden Großunternehmen der Bundesrepublik. Nach Informationen der taz sollen einzelne Mitglieder des Präsidiums Druck auf die Geschäftsleitung ausgeübt haben, um die Kosten des DIN „spürbar“ zu senken. Insbesondere beim Verkauf von Normen mußte das DIN, bedingt durch die derzeitige Rezession und zurückgehende Aufträge der Industrie, Einbußen hinnehmen.

Internen Berechnungen des Instituts zufolge wird die anvisierte Rückkehr zur 40-Stunden-Woche für die Mitarbeiter rund einen Monat Mehrarbeit im Jahr ausmachen. Daß damit ein Signal an die Großunternehmen gesetzt werden soll, um den Fluß der Gelder auch in Zukunft zu sichern, wollte DIN- Sprecher Geuther nicht bestätigen. Severin Weiland