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Mit oder ohne „Zünder“ gegen Kernschmelze?

■ Reaktorsicherheitskommission will im Frühjahr über Maßnahmen gegen Wasserstoffexplosionen in deutschen Atomkraftwerken entscheiden

Berlin (taz) – Wird am Ende gut, was lange währt? Sechs Jahre nach den ersten Ankündigungen will die Reaktorsicherheitskommission (RSK) im März oder April ihre Empfehlung zur Eindämmung der Gefahr schwerer Wasserstoffexplosionen in deutschen Atomkraftwerken vorlegen. Das bestätigte der RSK-Vorsitzende Adolf Birkhofer nach einer Klausursitzung von Fachleuten aus den USA, Japan, Frankreich und Deutschland und einem Treffen der Kommission in dieser Woche. Vermutungen aus Teilnehmerkreisen, wonach die von Kritikern als Spiel mit dem Feuer angesehene sogenannte „Zünder-Lösung“ nach dem Expertentreffen vorerst vom Tisch sei, wollte Birkhofer weder bestätigen noch dementieren.

Mehrere tausend Kubikmeter des unter bestimmten Bedingungen hochexplosiven Wasserstoffgases entstehen im Sicherheitsbehälter (Containment) eines Atomkraftwerks nach einem schweren Unfall mit anschließender Kernschmelze. Insbesondere die in deutschen Druckwasserreaktoren eingesetzten, relativ empfindlichen „Stahlschalen-Containments“ könnten eine Explosion des Gases nicht unbeschadet überstehen.

Zur Beherrschung des Problems, daß die Reaktorbetreiber seit dem Unfall von Harrisburg im Jahr 1979 vor sich herschieben, war unter Sicherheitsexperten jahrelang die „Zünder-Lösung“ diskutiert worden. Das Konzept sieht vor, das Containment mit einigen Dutzend „autarken“ Funkengebern auszustatten, um so den Wasserstoff kontrolliert zu verbrennen, bevor ein explosives Gasgemisch entstehen kann. Die Kritiker bezweifeln diese Möglichkeit. Sie fürchten, daß die bei Siemens entwickelten Funkenauslöser die Katastrophe im Ernstfall herbeiführen könnten, die sie eigentlich verhindern sollen.

Einer der profiliertesten Warner vor dem Zünder-Konzept, der Münchner TU-Professor Helmut Karwat, hat kürzlich noch einmal darauf hingewiesen, daß in den vergangenen Jahren in Deutschland und den USA durchgeführte Modellexperimente an einem entscheidenden Mangel leiden: Sie seien nicht übertragbar auf die komplexen und nur teilweise prognostizierbaren Vorgänge in einer konkreten Unfallsituation.

Anläßlich eines Workshops über „Schwere Reaktorunfälle“ in Tokio schlug Karwat deshalb Anfang November 1993 vor, zunächst eine Trennung von „Sinnvollem und Kritischem“ vorzunehmen. So könne der nicht umstrittene Einsatz sogenannter H2-Rekombinatoren – das sind Katalysatoren mit großen Oberflächen, auf denen sich Wasserstoffgas binnen 24 Stunden mit Sauerstoff kontrolliert zu Wasser verbindet – einen Teil der denkbaren Unfallszenarien abdecken und den Einstieg in eine „glaubwürdige endgültige Lösung“ des Problems bilden. Die könne darin bestehen, die gesamte Containment-Atmosphäre im Verlauf bestimmter, schwerer Unfallabläufe gegen Gase (Kohlendioxid, Stickstoff) auszutauschen, mit denen Wasserstoff nicht reagiert. Derartige „Inertisierungs- Strategien“ seien im übrigen in manchen Chemiefabriken schon seit Jahren Stand der Technik.

Der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Clemens Stroetmann, erklärte am Mittwoch in seiner Antwort auf eine kleine Anfrage des Abgeordneten Kubatschka (SPD) Kernschmelzunfälle (und damit auch Wasserstoffexplosionen) erneut zu „hypothetischen Ereignissen“, die wegen der „getroffenen Vorsorge und der praktischen Erfahrungen“ in deutschen AKWs „nicht eintreten“ werden. Die Argumente für die „Zünder-Lösung“, hieß es ergänzend im Hause Töpfer, seien nach den Expertentreffen in dieser Woche „so unerschüttert wie zuvor“. Gerd Rosenkranz

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