: Ost-Party mit West-Geschmack
■ Ossis werden abgezockt: Mit DDR-Revival-Party machen Organisatoren aus dem Westen eine gute Mark
Man nehme West-Hähnchen, nenne sie eine Nacht lang Ost- Broiler, verteile kostenlos Bananen, postiere Personenkontrollen am Einlaß und verspreche Arschtritte für alle ehemaligen Stasi-Mitarbeiter – fertig ist die DDR-Revival-Party.
Nahezu tausend junge Leute drängten sich am Samstag abend in die Mensa der Humboldt-Universität in Mitte, um ein „zeitlich begrenztes Visum zur einmaligen Einreise“ aus den Händen des vorwiegend westlich besetzten Kontrollpersonals zu erhalten. Diejenigen, die ihre FDJ-Hemden und NVA-Uniformen nicht im Geschichtsrausch vernichtet hatten, kamen kostenlos rein. Manchmal zahlt sich Treue eben doch aus.
Doch nicht der Osten triumphierte an diesem Abend über den Westen. Radeberger Bier und Rotkäppchen-Sekt mußten ankämpfen gegen eine Übermacht an West-Zigaretten, Crêpes und Coca-Cola. Unter den Augen von Erich Honecker warb Lucky Strike mit kostenlosen Zigaretten. „Man muß sehen, was man kriegt“, so der Kommentar einer Schlange stehenden Ostberlinerin.
Der ehemalige Motorradschützen-Gruppenführer Mario Meier, „ich bin einer der Letzten, der drei Jahre bei der NVA war“, wollte an diesem Abend an alte Zeiten erinnert werden, die „nicht allzu schlecht waren“. Er war froh, daß ihm wenigstens noch die Jacke der Unterfeldwebel-Uniform paßte. Für den 24jährigen war es „ein tolles Gefühl“ in der alten Uniform. Bei einem der wenigen Lieder, die von populären DDR-Bands gespielt wurden, dachte er melancholisch zurück: „Die Regierung hat uns hintergegangen.“
Hintergangen fühlten sich auch andere. Und zwar vom Organisator des Abends, einem Westberliner Jura-Studenten, der sogar die Uni vernachlässigt, um den Ostlern das Gefühl zu nehmen, „vom Westen überrannt“ zu sein (!!). „Der blanke Kommerz“, so Mirko Trodler, der zu DDR-Zeiten im Gefängnis gesessen hat und kurz vor dem Mauerfall über Ungarn abgehauen war. Er hätte sich „einen ehrlichen Umgang mit der Geschichte“ und „mehr Nostalgie“ gewünscht. „So war die DDR nicht“, kommentierte er die von Sony und Lucky Strike gesponserte Party, auf der Uniformen und FDJ-Hemden eher die Ausnahme waren.
Die Ost-Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Der Appetit auf Bananen mit dem Aufdruck „Grenzübergangsstelle“ war kurz nach Mitternacht gestillt, das Geschäft mit den Broilern made in Lichtenrade lief mäßig. Und Arschtritte wurden auch keine verteilt. Barbara Bollwahn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen