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■ Arbeitslosen-TV in Frankreich nur WahlkampfmascheMonsieur Balladurs großer Bluff

Paris (taz) – Nicht nur in der französischen Presse machte es vergangenen Sommer Schlagzeilen, sondern auch bei uns: „Frankreich geht neue Wege: Fernsehkanal für Arbeitslose“ titelten beispielsweise die Westfälischen Nachrichten zu Weihnachten.

Ein neues tägliches Arbeitslosen-Fernsehen, für Frankreichs fünften Antennenkanal, der momentan tagsüber brachliegt, weil das deutsch-französische Multikulti-Programm arte dort erst ab 17 Uhr auf Sendung geht, die Superidee – fernsehmäßig, volkswirtschaftlich wie sozial: Ab 7 Uhr morgens sollten in Zusammenarbeit mit Unternehmen, Arbeitsämtern, Beschäftigungs-Initiativen, Kooperativen usw. Informations-Programme über neue Jobs, die Stelleninserate in den Zeitungen und sonstige Arbeitsangebote dargebracht werden. Öffentlich aufgestellte Bildschirme, kostenlos benutzbare Fax-Apparate, Telefone und die in Frankreich verbreiteten elektronischen Service- Techniken wie das beliebte „Minitel“ sollten Jobsuchenden zur schnellen Kontaktaufnahme mit potentiellen neuen Arbeitgebern zur Verfügung stehen. Dem Erfinder, Jean-Claude Ambrieu, Chef einer kleinen Medienfirma, kündigte das Arbeitsministerium Unterstützung an. Die staatliche Mediengesellschaft CSA zeigte Bereitschaft, die Sendelizenz zu erteilen. Und im Gestrüpp der Bürokratie lief die Suche nach öffentlichen Töpfen für die Finanzierung auf Hochtouren. Deutsche Journalisten in Paris melden es bis heute als nachahmenswerte Innovation in die von Arbeitslosigkeit nicht minder gebeutelte Heimat. Dabei muß den Beobachtern an der Seine entgangen sein, daß der gaullistische Regierungschef Edouard Balladur Ende August die Nation mit einer anderen kulturellen Großtat aus dem Sommerschlaf zu holen geruhte: Er verkündete die Schaffung eines Bildungsfernsehens. Das sollte auf der gleichen Welle und an gleicher Stelle zelebriert werden. Jean-Claude Ambrieu wurde beschieden, sich sein als Dauereinrichtung gedachtes Arbeitslosen-Fernsehen abzuschminken und statt dessen Programmbeiträge irgendwie in das Balladur- Bildungsfernsehen zu integrieren.

Eine Woche vor dem großen Showdown in der Nationalversammlung, die Ende November Frankreichs 14,92 Milliarden Francs schweren Medienhaushalt verabschiedete, landete der listige Gaullist seinen größten Bluff: Er zauberte eine „Télévision de l'emploi“ aus dem Hut, sein Arbeitslosen-Fernsehen, ebenfalls tagsüber auf dem arte-Kanal, jedoch gekoppelt an die Gemeindeämter und Bürgermeister – was dem Projekt sogleich den Spitznahmen „Télévision Bonjour monsieur le maire“ (Guten-Tag-Herr-Bürgermeister-TV) eintrug. Balladurs zweiter Trick dabei: Es soll nur in den drei Wochen vom 28. März bis zum 17. April ausgestrahlt werden, justament zu den Kantonswahlen. Kostenpunkt: 45 Millionen Franc (ca. 15 Millionen Mark).

Bei dem Mitte Dezember eilig ausgeschriebenen Ideenwettbewerb waren nahezu 700 Dossiers eingegangen, wie Kommunikationsminister Alain Carignon mitteilte. Daraus sucht sich nun eine Kommission unter Vorsitz des Balladur-Freundes Jean Boissonnat, Mitglied im Rat für Geldpolitik der Bank von Frankreich, bis Ende des Monats das passende Konzept zusammen. Man dürfte davon ausgehen, sagte der düpierte Ambrieu dem Fachblatt Communication CB News, daß Balladurs Bürgermeister-TV eine Zwillingsschwester habe, die pünktlich zu den Europawahlen im Juni erscheine. Und als großer Bruder werde gewiß das Balladur-Bildungsfernsehen rechtzeitig vor den Präsidentschaftswahlen zur Stelle sein. Ulla Küspert

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