: Hört endlich auf !
■ Amnesty international zeigt Kunst gegen die Todesstrafe in der Unteren Rathaushalle
Der Tod kann im Grunde gar nicht Strafe sein, weil er etwas allgemein Menschliches ist, sinniert die Stuttgarter Künstlerin Doris Gesell und erinnert sich daran, daß ihre Familie vor Jahren nur mit Hilfe von amnesty international die DDR verlassen konnte. „Aber weil es so schwer ist, angemessene Worte zu finden, habe ich Bilder gemacht.“ Holzschnitte und Radierungen – Doris Gesells künstlerische Statements reihen sich ein in Eine Kunstausstellung gegen die Todesstrafe, die amnesty international seit letzten Freitag in der Unteren Rathaushalle zeigt.
Auch wenn in der ehemaligen DDR die Todesstrafe abgeschafft und seit Ende der Siebziger keine Hinrichtungen mehr vollzogen wurden, auch wenn es laut Artikel 102/ Grundgesetz in der Bundesrepublik keine Todesstrafe mehr gibt – weltweit ist sie in der Mehrzahl der Staaten immer noch im Gesetz verankert und wurde noch 1991 2.086 mal in 32 Ländern vollstreckt. Und es mehren sich auch hierzulande bei besonders grausamen Verbrechen die Rufe nach Vergeltung. All dies bewog die Hamburger ai-Städtegruppe, Künstlerinnen und Künstler im gesamten Bundesgebiet aufzufordern, in Wort und Werk gegen die Todesstrafe Stellung zu beziehen.
Deren Antworten sind nun nach Hamburg und Hannover auch in Bremen zu sehen: Hört auf, laßt mich Luft holen... Frei haben die KünstlerInnen dazu assoziiert. Für viele war es die erste Gelegenheit, das Thema Todesstrafe in ihrer Arbeit aufzugreifen, entsprechend persönlich sind die entstandenen Bilder, Skulpturen und Installationen geprägt. Da ist das rostige Fallbeil von Gustav Kluge/ Hamburg, das von Stromkabeln durchtrennte Herz von Alireza Gerannazar (aus Teheran) oder die übermenschlich großen Holzkörper von Detlef Kempgens/ Schwerin, in deren nackten Leibern Risse klaffen und deren Haltung ihrer gefesselten Scham Ausdruck gibt. Immer wieder zeigen die KünstlerInnen Gesichter, leere Augen, verzerrte Münder und Totenköpfe. „Jeder Mensch ist mehr als seine Tat“ (ai).
Schnell drängt sich die politische Wirklichkeit in diese Ausstellung. Nicola Jehle/ Stuttgart schmiert uns auf ihren T-Shirts ins Gedächtnis, daß Bill Clinton ein erklärter Befürworter der Todesstrafe ist. Kalt rechnet uns eine Wandtafel vor, daß in den USA, seit 1977 die Hinrichtungen wieder aufgenommen wurden, 199, nein, durchgestrichen, 204, nein, durchgestrichen ... 227 Menschen der Todesstrafe zum Opfer gefallen sind. Bis gestern. Zu lesen gibt es außerdem viel Informatives zur Geschichte des Todesstrafe, aktuelle Zeitungsmeldungen und Meinungen von Philosophen, Schriftstellern, Menschenrechtlern. Der letzte britische Henker schrieb 1975: „Ich galube nicht, daß auch nur eine der vielen hundert Hinrichtungen, die ich ausgeführt habe, künftige Täter abgeschreckt hat.“ Silvia Plahl
Untere Rathaushalle, bis 5.2., geöffnet tägl. von 11 bis 18 Uhr. Der Katalog kostet 25 Mark.
Mit Rahmenprogramm:
26.1., 18.45 Uhr, „Ein kurzer Film über das Töten“/ K. Kieslowski, im Cinema
28.1., 18 Uhr, Gottesdienst zum Thema Todesstrafe, St. Stephani
29.1., 20 Uhr, Lesung mit Will Quadflieg, im Packhaus
31.1. u. 1.2., 18.30 Uhr, „Das Heimweh des Walerjan Wrobel“/ R. Schübel, im Kino 46
5./6.2., 20 Uhr, „Der Tod und das Mädchen“/ Theater AG Schulzentrum Neustadt, im Westend
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen