: Politische Macht ökonomisch umsetzen
■ ANC stellt Wirtschaftsprogramm vor / Bekenntnis zu finanzpolitischer Disziplin
Berlin (taz) – Die wirtschaftspolitischen Ziele der wahrscheinlich nächsten südafrikanischen Regierung hat der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) am Sonntag auf einem Kongreß vorgestellt. Der ANC steht derzeit vor der Frage, wie er die politische Macht, die er bei den Wahlen am 27. April wohl erringen wird, ökonomisch umsetzen kann.
„Keine Demokratie kann überleben, wenn die Masse der Bevölkerung in Armut lebt, ohne Land und ohne greifbare Aussichten auf ein besseres Leben“, so das Vorwort des „Programms für Wiederaufbau und Entwicklung“. Mit dem Programm setzt sich der ANC ehrgeizige Ziele: Binnen fünf Jahren sollen die Lebensbedingungen der Schwarzen entscheidend verbessert werden, etwa durch den Bau einer Million neuer Häuser, den Anschluß an Stromnetz und Kanalisation und durch Gesundheitsversorgung für alle. Umfangreiche Infrastrukturmaßnahmen sollen Arbeitsplätze schaffen; staatliches Land will der ANC in großem Umfang an die landlose Bevölkerung umverteilen. Weiteres Ziel ist die Förderung kleiner und mittlerer Betriebe in den Händen von Schwarzen. Daß der ANC seiner Wahlklientel solche Versprechungen macht, ist nicht ungewöhnlich. Überraschend ist jedoch das Bekenntnis zu finanzpolitischer Disziplin.
Ausdrücklich betont das Programm, daß das derzeitige Haushaltsdefizit, mit sechs Prozent des Bruttosozialprodukts etwa auf belgischem Niveau, nicht vergrößert werden soll. Die durchschnittliche Steuerbelastung soll nicht erhöht werden, und nicht einmal umfassende Verstaatlichungen, früher Kernstück der ANC-Politik, sind mehr vorgesehen. Nur die Schürfrechte vor allem an Gold und Diamanten, möchte man langfristig dem Staat übertragen.
Womit die beschlossenen Maßnahmen zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Schwarzen finanziert werden sollen, bleibt äußerst vage; eine Aufstellung der Kosten für die einzelnen Maßnahmen fehlt. Das Geld käme zusammen durch die „Beseitigung von Ineffizienz und Korruption der Apartheid-Verwaltung“, so das Entwicklungsprogramm. Mittelfristig möchte sich der ANC daher auch verschiedene Möglichkeiten offenhalten. Diverse neue Steuern werden erwogen, etwa auf Landbesitz und Luxusgüter. Auch Verstaatlichungen möchte man nicht gänzlich ausschließen. Der wirtschaftspolitische Sprecher des ANC, Trevor Manuel, mittlerweile ein pragmatischer Marktwirtschaftler, befürwortet statt einer Besteuerung von Reichtum allerdings eher die freiwillige Finanzierung der wirtschaftlichen Vorhaben durch Anleihen.
In erster Linie ist das ANC- Programm wohl wahltaktisch zu verstehen. Der schwarzen Wählerschaft soll die Hoffnung auf wirtschaftliche Verbesserungen gegeben werden – die weißen Südafrikaner, in deren Hand sich die Wirtschaft weitestgehend befindet, und die internationalen Investoren sollen mit Hilfe des Bekenntnisses zum Privateigentum und zur finanzpolitischen Stabilität nicht verprellt werden. Von Wirtschaftsvertretern war dementsprechend allenfalls verhaltene Kritik und sogar vereinzelt Lob zu hören. Nicola Liebert
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