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Das sind keine normalen Lebensbedingungen

■ betr.: „Massenabschiebung ge plant“, taz vom 20.1.94

[...] Dieser Plan kann nur von Politikern und Bürokraten ausgedacht worden sein, die in den hohen Sphären kalter Machtpolitik angesiedelt sind, aber nicht den geringsten Einblick haben oder einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollen, wie erschreckend sich die Situation der Flüchtlinge in Ex-Jugoslawien und damit auch in Kroatien nach wie vor stellt.

Genaugenommen ist es den etwa 700 freien Initiativen (zur Hälfte aus der Friedensbewegung) in der BRD (und ähnlichen Gruppen in anderen westeuropäischen Ländern) zu verdanken, daß für die meisten Flüchtlinge in Kroatien ein Minimum an Lebenschancen erhalten werden konnte. Die meisten Flüchtlingslager werden von den Internationalen Freiwilligen (HelferInnen, die vier Wochen, oft auch länger, in den Flüchtlingslagern arbeiten) unterstützt, und aus diesem Engagement sind überall Hilfsgruppen entstanden, die humanitäre Hilfe in diese Flüchtlingslager organisieren.

Gewiß konnten seit Beginn des Krieges nicht wenige Flüchtlinge in ihre inzwischen wieder kriegsfreie Heimat zurückkehren. Sie hausen dort in halb zerstörten Häusern und Kellerlöchern. Slawonien – davon konnte ich mich durch Augenschein überzeugen – ist weitgehend dem Erdboden gleichgemacht, und die Möglichkeiten des Wiederaufbaus sind extrem schwer. In der Stadt Pakrac beispielsweise, in der der Wiederaufbau (auch vom Komitee für Grundrechte und Demokratie, dessen Sekretär ich bin) tatkräftig unterstützt wird, ist man seit Sommer 1993 dabei, die Trümmer wegzuräumen, um dann mit den freigeschafften Steinen im Frühjahr d.J. die ersten Häuser wieder aufzubauen. Das sind keine normalen Lebensbedingungen mehr, zumal man vor allem nachts Maschinengewehrfeuer und Einschläge in der Umgebung zu hören bekommt.

Aber diese Wiederaufbauaktionen sind bei weitem die selteneren Fälle, und sie werden von staatlichen Stellen, sei es in Kroatien selbst, sei es aus dem Ausland, kaum gefördert. Sie funktionieren nur dort, wo freiwillige Hilfsgruppen aus dem Ausland Unterstützung geben. In dieser Situation ist das Land kaum in der Lage, weitere Flüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen. Noch existieren viele sogenannte „illegale“ Lager, was besagt, daß diese Flüchtlingslager von der Regierung zwar geduldet, aber in keiner Weise unterstützt werden. Überleben in diesen Lagern ist überhaupt nur durch humanitäre Hilfe von außen möglich.

Es ist schon eine Wohltat, daß die Bundesregierung wenigstens Kriegsflüchtlinge aus Bosnien- Herzegowina, die es sowieso am schwersten haben, in unser Land zu kommen, bisher nicht abschieben will. Da fürchtet man wohl einen Aufschrei der Weltöffentlichkeit. So kommt auf uns eine neue Aufgabe zu, nämlich von der Abschiebung bedrohte Kriegsflüchtlinge zu schützen, ihnen zu helfen, die Abschiebungsbehörden zu beschummeln und sie notfalls zu verstecken.

Zum Schluß: „Soldaten sind sich alle gleich“, formulierte der frühe und damals noch bessere Wolf Biermann. Dieser Ausspruch wird nun von der Bundesregierung bestätigt, indem sie serbische Deserteure abschieben will, etwa nach dem Motto, als Soldat hat man immer zu dienen, gleichgültig, welche verbrecherische und menschenmordende Aufgabe man zugedacht bekommt. Deutschland 1939 – 1945 läßt grüßen. Klaus Vack, Sensbachtal

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