: Da kriegst du Zustände
■ Die Kunst der Veränderung: Objekte von Andrea Ostermeyer in der Galerie Rabus
Das sind Zustände: klare und verworrene, heitere und gravierende, um nicht zu sagen: schwierige Zustände. Zwischen diesen Polen pendelt Andrea Ostermeyer ihre Objekte aus – ihre „Aggregate“, wie sie eine Reihe trefflich beschriftet hat. So sind ihre Stücke Träger großer Energien. Mal stark konzentriert, mal frei fließend. Und im günstigsten Fall auf den Betrachter überströmend.
Die alte Methode ist also doch noch nicht ganz ausgereizt: altvertrautes Material, möglichst Meterware industrieller Herkunft, in neue Form zu gießen; die Zustände ein wenig zu verändern. Nun hat sich der Witz ja einigermaßen abgewetzt: Wie schräg es doch anmutet, wenn Stühle, Tische, Fernseher aus der Form geraten. Das haben Herrn Duchamps Erben in jahrzehntelanger Arbeit besorgt, auf daß die verbliebenen Galeriegänger sich zu Tode langweilten. Von solch postmodernem Gewitzel hat sich die junge Künstlerin gehütet. Sie besinnt sich auf eine alte, fast vergessene Qualität der Objektkunst: das Materialgefühl. Und das zeigt sie in jedem Stück.
Was weich und lang und schlapp ist, soll auch frei umherwallen dürfen; was hart ist, soll feste vor sich hinklotzen. So gibt Ostermeyer den Dingen ihre Eigenschaften zurück. Zinkbleche werden messerscharf geschnitten und gestapelt, in klare geometrische Körper gefaßt. Putzlumpen sollen gefälligst herumludern. Und alte Gummischläuche mögen sich schlangengleich drehen und winden: Dieses stärkste Objekt der Ausstellung hat die Künstlerin in endlos schönen Bahnen auf dem weiten Rabus'schen Fußboden ausgegossen.
Die assoziative Nähe zur Vorstellung freifließender Gehirnwindungen ist vielleicht nicht zufällig. Ostermeyers beste Objekte muten wie in sich geschlossene Systeme an, auf deren Bahnen geheime Prozesse ablaufen, Energien strömen. Möbiusbänder ohne Anfang und Ende. Netze, perfekt geknüpft, aber ohne ohne von außen ersichtliche Ordnung. Denn die ist einfach aufgehoben. So sind die Zustände: veränderlich.
Thomas Wolff
Bis 25.2., Galerie Kartin Rabus, Plantage 13
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen