■ Die SPD kämpft gegen die Organisierte Kriminalität: Enteignet die Gangster!
Ab jetzt geht es den Gangstern an den Kragen. Dies ist die Botschaft, die die SPD gern im Wahlkampf vermitteln möchte und für die sie gestern extra einen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Streng vereinfacht und damit für das gemeine Volk vermittelbar möchten die Sozialdemokraten zwei Artikel des Grundgesetzes verändern, damit die Gangster zukünftig ihre Coups nicht mehr gemütlich im Wohnzimmer planen können und – das ist noch wichtiger – nicht obendrein den Gewinn aus ihren kriminellen Taten in aller Ruhe verprassen können. Wer will das nicht? Damit diese Vision endlich auch Realität wird, muß man die Polizei aus einigen Fallstricken übertriebener Rechtsstaatlichkeit befreien.
Wohnungen von Gangstern sollen endlich keine rechtsfreien Räume mehr sein, sondern elektronisch überwacht werden. Da man bei dieser Überwachung erfährt, auf welcher Bank die Gangster ihr kriminell erworbenes Vermögen zu deponieren gedenken, kann die Polizei das Geld dann beschlagnahmen. Statt wie jetzt im Gestrüpp diverser Bankgeheimnisse hängenzubleiben, muß dann der Gangster erst einmal beweisen, daß ausgerechnet das jetzt beschlagnahmte Geld nicht aus dem letzten Kokaindeal stammt, sondern legal von der Oma geerbt wurde. Dann bekommt selbstverständlich auch der Gangster sein Geld zurück. Der einzige Schönheitsfehler an dieser Vision einer besseren Gesellschaft ist, daß die SPD unerwähnt läßt, woran sie den Gangster erkennt. Ein kritischer Polizist hat unlängst erst in dieser Zeitung darauf hingewiesen, daß auch für vermeintliche Gangster die Unschuldsvermutung gilt, bis sie rechtskräftig verurteilt sind. Wieviel mehr gilt dieser Einwand für Leute, gegen die nach erfolgtem Lauschangriff nie Anklage erhoben wird, es nie zu einem Gerichtsverfahren kommt. Deshalb bleibt der springende Punkt, unter welchen Voraussetzungen und durch wen der Lauschangriff erlaubt wird und was mit den Daten passiert. Da Scharping sich bereits beim Parteitag in Wiesbaden über den prinzipiellen Einwand gegen den Lauschangriff, dieser sei ein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre, hinweggesetzt hat, geht es nun um die Details.
Die SPD hat einen Sicherungskatalog vorgeschlagen, dem man ansieht, daß das Gesetz für den Wahlkampf und nicht für eine Verständigung mit der Union gemacht ist. Die CDU wird kaum einer Prozedur zustimmen, die die Polizei davon abschreckt, die Erlaubnis für einen Lauschangriff einzuholen, noch wird es der SPD gelingen, einen Ermittlungsrichter nach US-amerikanischem Vorbild im deutschen Strafrecht zu verankern, der den weiteren Gang der von ihm erlaubten Maßnahme überwacht und verantwortet. Sollte es nach der Wahl gemeinsam mit der Union zum Schwur kommen, ist jetzt schon absehbar, welche Elemente des SPD-Vorschlags dem Kompromiß zum Opfer fallen. Das gilt nicht nur für die Regelung des Lauschangriffs, sondern auch für die Enteignung der Gangster. Der Schutz des Eigentums ist schließlich für die Union eine dicke Säule der Verfassung. Der kaum gehemmte Zugriff der Polizei auf diverse obskure Konten könnte sich schließlich als echtes Investitionshindernis für den „Standort Deutschland“ erweisen, mit allen Konsequenzen für die Arbeitsplätze – und das will Scharping doch wohl auch nicht. Jürgen Gottschlich
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