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Ein großer Schritt in Richtung Moskau

Nach mehreren Versuchen ist es den weißrussischen Kommunisten gelungen, Präsident Schuschkjewitsch zu stürzen / Der Staatschef war stets gegen eine zu enge Kooperation mit Rußland  ■ Von Klaus Bachmann

Warschau (taz) – Mit einer klaren Mehrheit von 209 gegen 36 Stimmen hat das weißrussische Parlament am Mittwoch abend überraschend Parlamentspräsident Schuschkjewitsch abgewählt. Formale Begründung für das von der kommunistischen Mehrheit eingebrachte Mißtrauensvotum gegen den Atomphysiker waren dabei Korruptionsvorwürfe. Tatsächlich ist die Abberufung Schuschkjewitschs aber nur der Höhepunkt einer großangelegten Palastintrige innerhalb der Minsker Machtelite, in deren Verlauf bereits am Dienstag Innenminister Wladimir Jegorow und KGB-Chef Eduard Schirkowski zum Rücktritt gezwungen worden waren. Vertreter der nationalen Opposition in Minsk bezeichneten die Ereignisse der letzten Tage als „heimlichen Staatsstreich der alten und neuen Kommunisten.“

Stanislaw Schuschkjewitsch war vor zwei Jahren unmittelbar nach dem fehlgeschlagenen Putsch gegen Gorbatschow in Moskau und dem anschließenden Verbot der KPdSU zum Parlamentsvorsitzenden – dem höchsten Staatsamt der Republik – gewählt worden. Zugleich hatte das Parlament auf Antrag der nationalen Opposition die Unabhängigkeit Weißrußlands verkündet. Schuschkjewitsch war von der nur etwa vierzig Abgeordnete zählenden oppositionellen Parlamentsfraktion aufgestellt worden und hatte bis dahin keinerlei offizielle Ämter bekleidet. Bereits zwei Monate nach ihrem Verbot gründete sich die weißrussische KP dann jedoch neu, im Mai 1993 wurde sie offiziell wieder zugelassen und zog im Parterre des Minsker Außenministeriums ein.

Bereits kurz nach der Unabhängigkeitserklärung unterzeichnete die weißrussische Regierung unter dem ehemaligen KP-Funktionär und Premier Kebitsch 16 teilweise geheime militärische und wirtschaftliche Abkommen mit Rußland. Mehrfach versuchten die kommunistischen Abgeordneten, Schuschkjewitsch abzuwählen, nachdem er sich gegen diese enge Kooperation mit Rußland gewehrt hatte.

Schon einen Tag nach der Absetzung Schuschkjewitschs begann in Minsk die Suche nach einem neuen Präsidenten. Um „Absprachen“ zu ermöglichen, wurde die laufende Parlamentsdebatte unterbrochen. Im Gespräch ist der frühere Vorsitzende der weißrussischen KP, Waleri Tichonja. Die Aussicht, schon bald mit einem kommunistischen Staatschef über die Umsetzung der Abrüstungsverträge verhandeln zu müssen, hat in den USA bereits Besorgnis hervorgerufen.

Den letzten und nunmehr erfolgreichen Versuch, Schuschkjewitsch zu stürzen, hatten die Abgeordneten der KP nach dem Besuch von US-Präsident Clinton vor zwei Wochen in Minsk unternommen. Während des Besuchs hatten litauische Geheimagenten zwei Mitglieder der Führung der in Litauen seit drei Jahren illegalen litauischen KP festgenommen und über die Grenze entführt. Ihnen wird in Litauen vorgeworfen, sowjetische Übergriffe auf litauische Zivilisten befohlen zu haben. Die verbotene litauische KP soll aus dem weißrussischen Exil heraus im Untergrund auch nach 1991 noch aktiv gewesen sein. Wiktor Tschykyn, Chef der weißrussischen KP, bezeichnete die litauische Aktion als „Akt des internationalen Terrorismus“, das Parlament beriet über die Beteiligung weißrussischer Behörden an der litauischen Aktion bereits seit Anfang der Woche hinter verschlossenen Türen.

Die Abwahl der drei hohen Politiker ist ein politischer Erfolg für Premier Kebitsch, der einen Mißtrauensantrag mit 175 gegen 101 Stimmen problemlos überstand. Kebitsch hatte erst im Herbst vergangenen Jahres versucht, den nun zurückgetretenen Innenminister und den Chef des weißrussischen KGB zu entmachten, indem er die Einrichtung eines ihm unterstellten Sicherheitsrates betrieb.

Die Korruptionsvorwürfe gegen Schuschkjewitsch dagegen stammen aus dem Bericht des 1993 eingesetzten „Antikorruptionsausschusses“ des weißrussischen Parlaments. Dieser hatte Schuschkjewitsch vorgeworfen, Rechnungen für die Renovierung seiner Wohnung nicht bezahlt zu haben. Schon am nächsten Tag hatte der Parlamentspräsident jedoch die Quittungen vorgezeigt.

Die innenpolitische Krise trifft Minsk zwei Monate vor den geplanten Parlamentsneuwahlen, für die sich der bisherige kommunistische Mehrheitsblock im Parlament erneut eine satte Mehrheit erhofft. Erreicht werden soll dies durch die Beibehaltung des sowjetischen Wahlsystems, bei dem jeweils zu einem Drittel nach Personen, zu einem weiteren nach Parteilisten gewählt wird und das letzte Drittel der Abgeordneten von den Massenorganisationen wie Gewerkschaften und Veteranenverbänden entsandt werden soll.

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