■ Schleef stürmt Stadtschloß: Der nackte Kaiser
Einar Schleef hat sich jetzt die Kunststoff-Attrappe des Stadtschlosses als Aufführungsort seines „Faust“-Projektes ausgesucht. Mit der finanziellen Unterstützung einiger Wirtschaftsunternehmen sollen im Mai und Juni einige Vorstellungen im Gerüst-Innenhof stattfinden. Man muß ja nicht jeden Schlingerkurs des Herrn Schleef berichterstattend mit ausfahren. Aber wie bitter hatte es uns getroffen, als die künstlerische Kommandotruppe Schleef wegen der Schließung des Schiller Theaters den „Faust“ nicht zu Ende proben durfte. Frühling in uns, als der Kultursenator Schleef einige Wochen später als Gast wieder in die Bismarckstraße einziehen ließ. Und wie endgültig böse wurden wir, als wir im Dezember davon erfuhren, daß kurz zuvor ohne Vorankündigung und irreversibel der Eiserne im Schiller Theater fiel. Die maßgeschnitzten Bühnenaufbauten, die ausgefeilte Akustik! Im Schiller Theater oder nirgends, röchelte der Meister damals. Allenfalls die Philharmonie sei noch diskutabel... Und nun das vorgegaukelte Stadtschloß! Natürlich wird's auch das nicht werden, fiese Boykotteure werden es zuvor ruinieren. Oder Martin Wuttke bricht sich ein Bein. Danach fällt Schleef sicher ein, daß es nur auf dem Brandenburger Tor ginge, wegen der Optik. Soll er. Wir nehmen betrübt Abschied. Sind nur noch ein bißchen neugierig auf die perfekte Fassung des Jahrhundert-„Fausts“. Und wehren uns immer weniger gegen den schrecklichen Verdacht: Der Kaiser, ist er denn nackt? Petra Kohse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen