Hinterzimmer zu vermieten

■ Ungestüme Demokratie-Bewegung in der Hamburger SPD / Jürgen Mantell Favorit für den Parteivorsitz Von Uli Exner

Nun aber Galopp. Hamburgs Sozialdemokraten, durch die massive Kungel-Kritik des scheidenden Parteivorsitzenden Helmuth Frahm arg in Bedrängnis geraten, holen zum Befreiungsschlag aus. „Raus aus den Hinterzimmern, rein in die Demokratie“ ist das Motto der neuen roten Bewegung, an deren Spitze sich am Wochenende der Partei-Kreis Eimsbüttel gesetzt hat.

„Erneuerung und Modernisierung kommen nicht aus Hinterzimmern“ heißt es in einer kämpferischen Resolution der neuen Eimsbütteler Avantgarde, im folgenden kurz NEA genannt. Und weiter: „Wir haben es satt, Personaltableaus abzusegnen.“ Und noch weiter: „Die Bürger haben es satt, dies als Demokratie verkauft zu bekommen.“ Schließlich, ein wenig in Richtung Doppelherz-Werbung abgleitend: „Erneuerung braucht die Kraft ...“, nein, nicht der zwei Herzen, sondern „der echten demokratischen Mehrheit“.

Alles nur große Luftblasen? Nicht unbedingt. Mit ihrem überraschenden Vorstoß hat der Kreis Eimsbüttel zunächst einmal die Lufthoheit über den sozialdemokratischen Stammtischen erobert. „Öffnung, Transparenz, Partizipation“. Welcher Sozi könnte diesen NEA-Zielen in Zeiten der Politikverdrossenheit noch widersprechen.

Mehr noch. Die Eimsbütteler dürften auch erheblichen Einfluß auf die bevorstehende Entscheidung über den künftigen Parteivorsitzenden haben. Favorit jetzt: Jürgen, genannt „Eddy“ Mantell, versierter Vorreiter der Demokratisierungsbewegung und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen. Seine Kandidatur wird von der NEA „vor diesem gesamten Hintergrund begrüßt2.

Mantells Vorteil: absolute Kungel-Abstinenz. Sein Credo: Reformen, Reformen und „wir wollen wegkommen von den Personalquerelen.“ Natürlich soll Mantell, dem neuen Denken entsprechend, nicht einfach so auf den Schild gehoben werden. „Wir wollen ein offenes Verfahren,“ schreiben die Eimsbütteler und „bitten daher, andere qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen zu benennen“.

Die werden es schwerhaben, wenn sie denn überhaupt noch antreten. Denn wie jede machtvolle Bewegung scheint auch die NEA schon ihre ersten Opfer zu fordern. Der frühere Altonaer Kreischef Walter Zuckerer, zuletzt noch heiß gehandelt, zeigte sich gestern „sehr entschlossen“, nun doch nicht für den Parteivorsitz zu kandidieren: „Ich habe sehr hute Feinde“. Zum Beispiel in der NEA. Zuckerer gilt als verdienter Kungelbruder.

Ob die NEA Erfolg haben kann, wird sich spätestens am 26. Febraur zeigen. Dann soll der neue SPD-Parteichef inthronisiert ..., sorry, gewählt werden.