: Wellenreiter Pete Sampras
■ Die Trophäe der Australian Open, die sich angeblich "gut in der Vitrine macht", erarbeiten sich der US-Amerikaner Sampras und "Wonder-Woman" Steffi Graf
Melbourne (dpa/taz) – Ihr erstes sportliches Aufeinandertreffen trug sich auf dem Golfgelände zu. Dort hat Pete Sampras (USA) seinem Landsmann Todd Martin nicht nur die erste Niederlage beigefügt, sondern auch eine Stange Geld abgeknöpft. Sampras, so geht die Sage, habe sich im britischen Understatement geübt und sein Handicap mit 17 viel zu hoch angegeben. Martin wiederum sei mit Handicap 7 viel zu ehrlich gewesen. Er verlor.
Nun denn, am Sonntag wurde im Flinders Park Tennis nicht Golf gespielt. Und da war Todd Martin, der aufgrund seiner 1,98 Metern Körperlänge etwas tapsig wirkt, von vorneherein der Gehandicapte: Obwohl er sich binnen eines Jahres von Platz 87 der Weltranglisten auf Rang zwölf raufgearbeitet hatte, war das Handicap des dominierenden Weltranglistenersten Pete Sampras deutlich geringer. Sampras gewann erwartungsgemäß im Herkunftsland seiner großen Vorbilder Rod Laver und Ken Rosewall das Endspiel der Australian Open ebenso deutlich, wie er die letzte Saison dominiert hatte – 7:6 (7:4), 6:4, 6:4. Und Todd verlor gegen Sampras zum zweiten Mal. Dessen Sieg in Melbourne eine Premiere für den 22jährigen Hobbygolfer war. Zudem gelang es ihm als bisher siebtem Spieler der Profi-Tennis-Geschichte, drei Grand- Slam-Turniere in Folge zu gewinnen. „Darauf bin ich besonders stolz“, sagte der 22jährige angesichts der Tatsache, daß es bereits 30 Jahre zurückliegt, als mit dem Australier Roy Emerson letztmals ein Spieler hintereinander die Turniere in Wimbledon, Flushing Meadow und Melbourne im Dreierpack für sich verbuchen konnte.
Pete Sampras aber sieht sich selbst erst am Anfang seines Weges. Der irgendwann einmal in den Tennis-Annalen enden und ihm sportliche Unsterblichkeit gewähren soll. „Wenn ich fünf Jahre so weiterspiele, könnte ich einer der größten Spieler aller Zeiten werden. Das ist mein Ziel“, sagte der Kalifornier. Auch im 2:33 Stunden dauernden Endspiel gegen Martin war der momentan unbestritten beste Spieler der Welt nur im ersten Satz vor größere Probleme gestellt. Todd Martin, dem seine Endspielteilnahme zunächst die Stimme verschlagen hatte („Ich bin so aufgeregt, ich bin echt sprachlos“) und dann in einem Redeschwall und schließlich in der Selbstgeißelung („Ich rede schon wieder zuviel, meine Mutter sagt immer, hör doch auf zu quatschen“) endete, konnte seine Emotionen angesichts seines größten sportlichen Erfolges auf dem Center Court nicht mehr in die nötige Kaltschnäuzigkeit lenken. Der 23jährige, der mit 20 Jahren spät in den Tenniszirkus gestoßen war, weil er sich erst eine College-Ausbildung angedeihen lassen wollte und hierbei gleich das Alleinleben probte („Wäre ich mit 18 Profi geworden, hätte das in einer persönlichen Katastrophe geendet; auf der Tennis-Tour wäre ich kaputt gegangen“), ließ im ersten Durchgang gleich sechs Break-Möglichkeiten ungenutzt und wurde dafür im Tie-Break bestraft. „Bei den wichtigen Punkten hat Pete toll gespielt“, analysierte Martin den ersten Satz. In den beiden folgenden legte Sampras mit frühen Breaks den Grundstein zum Erfolg und meinte bei der Siegerehrung: „Diese Trophäe macht sich bestimmt gut in meiner Vitrine.“ Für den Sieger aber war der Auftritt im Flinders Park nicht allein aus sportlichen Gründen eine Genugtuung. Denn der stille Tennis- Gentleman, der in seiner Heimat aufgrund seiner wohlerzogenen Art weit weniger populär ist als Haudrauf Jim Courier oder der schrille Andre Agassi, genoß in Melbourne, auf einer ihm unbekannten Sympathiewelle getragen zu werden. Sampras bedankte sich artig: Es sei eine „schöne Erfahrung“, daß es ein Publikum gebe, das von diesem Sport etwas verstehe.
„Aus dem Fräulein-Wunder Graf ist eine Wonder-Woman geworden“, meinte Sun Herald zum samstäglichen Titelgewinn von Steffi Graf. The Age stellte der 24jährigen gar eine Art Freibrief für alle kommenden Spiele aus: Sie sei die einzige Spielerin, die zur Zeit ein Turnier gewinnen könne. Und Sunday Telegraph kommentierte gewohnt sprachlich elegant: „Der Tennis-Koloß Graf hat einen weiteren Edelstein in die Grand- Slam-Krone eingefügt.“ Ihre einstmalige Angstgegnerin Arantxa Sanchez-Vicario durfte auch nicht einen Moment davon träumen, das Turnier für sich zu entscheiden. Die Spanierin brachte nur zwei Aufschlagspiele durch und verlor mit der Beinahe-Höchststrafe von 0:6, 2:6. coh
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