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Die armen Clowns der Nation

Die Dallas Cowboys gewannen mit 30:13 die Super Bowl im American Football gegen die Buffalo Bills, die ihr viertes Finale in Folge verloren  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Es klang schon sehr nach dem berüchtigten Pfeifen im Wald, was die Spieler der Buffalo Bills vor der Super Bowl Nummer XXVIII so von sich gaben. „Sorry Amerika, daß wir es schon wieder geschafft haben“, sagte Quarterback Jim Kelly spöttisch. „Niemand hat uns hier erwartet. Niemand wollte uns hier haben. Aber seht mal an: Hier sind wir“, trotzte Linebacker Darryl Talley, und Cheftrainer Marv Levy versprach: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten.“

Viermal in Folge haben die Buffalo Bills das Endspiel der National Football League (NFL) erreicht, ein Ereignis, von dem sogar viele Spieler solch großer Teams wie New York Giants, San Francisco 49ers oder Los Angeles Raiders nur träumen können, von erfolglosen Mannschaften wie etwa den Green Bay Packers oder den New Orleans Saints ganz zu schweigen. Doch auf den Bills lastet ein Fluch, und ihr Traum wird jedes Jahr aufs neue zum Alptraum. Dreimal hatten sie bereits verloren, und auch im vierten Versuch blieb ihnen das Unheil treu. Bei der Neuauflage der Vorjahres-Super-Bowl unterlagen sie erneut den Dallas Cowboys, diesmal mit 13:30. Unverzeihlich in jenem Land, das nur Sieger kennt.

Während sich andere ewige Zweite wie Merlene Ottey oder der von den Franzosen so heiß geliebte Radprofi Raymond Poulidor, der von Jacques Anquetil und Eddy Merckx immer nur die Hinterreifen sah, auch als Dauerverlierer große Popularität erwarben, bleibt den Buffalo Bills nur Hohn und Spott. Vergessen die rauschenden Siege gegen Dallas, die Giants oder die 49ers während der Saison, vergessen die beeindruckende Vorstellung beim Halbfinalsieg gegen Joe Montanas Kansas City Chiefs letzte Woche, vergessen auch die Tatsache, daß sie es als erstes Team in 28 Jahren schafften, viermal in Folge die Meisterschaft der American Conference zu gewinnen. „Leute, die mit Sport nicht viel zu tun haben, wissen nicht, was es uns gekostet hat, hier zu sein – der Kampf, der Schweiß, das Blut“, beklagt sich Abwehrspieler Mark Pike. Die Bills wären bereits jetzt das Team der 90er, gäbe es da nicht „dieses kleine Problem Ende Januar“ (US Today), das immer alles zunichte macht und die stolzen Bills am Sonntag in Atlanta endgültig zu den Clowns der Nation degradierte.

Wenn es zur Super Bowl geht, treffen die Bills nicht nur auf übermächtige Gegner, sie spielen auch schlechter als sonst. Das gilt besonders für Thurman Thomas, einen der drei besten Running Backs der NFL, der einen veritablen Super- Bowl-Komplex mit sich herumschleppt. 1991 bei der Niederlage gegen die Giants lief er immerhin noch 135 Yards, ein Jahr später gegen die Washington Redskins waren es nur 13, 1992 beim verheerenden 17:52 gegen Dallas lediglich 19. Praktisch nichts für jenen Spieler, der vor einer Woche gegen Kansas 186 Yards und drei Touchdowns geschafft hatte.

Und auch in Atlanta vor 72.817 Zuschauern im Georgia Dome und mehr als 750 Millionen Menschen an den Fernsehgeräten in aller Welt war Thurman Thomas wieder der Unglücksrabe. Anders als im letzten Jahr hatten die Bills gut begonnen und führten bei Halbzeit, unter anderem durch einen Touchdown von Thomas, mit 13:6. Es ließ sich gut an für Buffalo, die Cowboys waren verunsichert, doch 50 Sekunden nach der Pause kam die entscheidende Szene. Thomas verlor den Ball, James Washington schnappte sich das kurzfristig herrenlose Ei und rannte damit schnurstracks über 46 Yards in die gegnerische Endzone: 13:13. „Das hat uns neues Feuer gegeben“, sagt Charles Haley von den Cowboys.

In Brand geriet vor allem Emmitt Smith, bereits zum besten Spieler der Saison und nun auch zum besten Spieler der Super Bowl gewählt. Smith, der sich vor einigen Wochen die Schulter ausgekugelt hatte und mit Spezialpolstern spielte, schaffte 158 Yards und entschied mit zwei Touchdowns das Match. „Emmitt war unglaublich. Er ist Gold wert“, jubilierte Cowboys-Eigentümer Jerry Jones, dessen Team bereits zum vierten Mal den Titel holte, und auch Bills- Quarterback Jim Kelly, der mit einem Fehlpaß zum letzten Touchdown von Smith die Niederlage besiegelte, lobte den Gegner: „Dallas hat zur Zeit das beste Team der NFL.“

Und dann begann Jim Kelly schon wieder im Wald zu pfeifen: „Wir werden es so lange probieren, bis wir es schaffen.“ In die gleiche Kerbe hatte zuvor Mark Pike gehauen: „Was wir in den letzten drei Jahren gespielt haben, ist doch das, worum es im Sport geht: niedergeschlagen werden und wieder aufstehen.“ Auf Wiedersehen im nächsten Jahr.

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