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Der Tod ist ein Händler aus Deutschland

■ Freispruch für Lieferanten einer Anlage, mit der der Irak Giftgas produzierte, um Kurden zu töten

Berlin (taz) – Wer Giftgasanlagen herstellt oder in den Irak Saddam Husseins vertreibt, wird mit Freispruch belohnt. Das Darmstädter Landgericht ließ gestern drei Hauptangeklagte der Firma Karl Kolb AG, Helmut Maier, Klaus-Joachim Fraenzel und Ewald Langer, in Freiheit. Zuvor hatte bereits die Staatsanwaltschaft die Anklage in allen Punkten fallenlassen. Gegen einen der Kolb-Mitarbeiter, gegen den noch der Vorwurf der Lieferung einer Bombenbeschichtungs-Anlage an den Irak besteht, sowie gegen drei Beschuldigte der Hamburger Firma WET wird morgen weiterverhandelt. Das Verfahren gegen einen Nebenangeklagten wurde gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 150.000 Mark eingestellt. Der Bielefelder Kaufmann war nach eigenem Geständnis dafür verantwortlich, daß seine Firma Reininghaus in den Jahren 1984/85 24 Tonnen Phosphoroxychlorid, eine zur Giftgasherstellung notwendige Chemikalie, an den Irak geliefert hatte.

Daß die freigesprochenen Kolb-Mitarbeiter zu Beginn der achtziger Jahre eine Chemieanlage in den Irak geliefert haben, mit der sich Giftgas herstellen ließ, war auch vor Gericht unstrittig. Tatsächlich entdeckten UNO-Inspektoren nach dem zweiten Golfkrieg nahe der Stadt Samarra die entsprechende Fabrik, deren Anlagenteile die Firmenlogos diverser deutscher Unternehmen trugen.

Strittig dagegen war in dem Prozeß, ob die Kolb-Fabrikanten wußten, was sie da lieferten. Staatsanwalt Thomas Brand kam gestern in seinem Plädoyer zu dem Schluß, daß die exportierten Anlagen nicht speziell zur Giftgasherstellung konstruiert gewesen seien. Der Export von Betriebsteilen, mit denen sich beispielsweise sowohl harmloses Kopfschmerzmittel als auch mörderisches Senfgas herstellen lassen — Experten sprechen von dual use — ist aber erst seit 1986 unter Strafe gestellt. Damals verschärfte die Bundesregierung unter dem massiven Druck des Auslands das Außenwirtschaftsgesetz. Ob es sich bei den von Kolb gelieferten Teilen tatsächlich um eine dual-use-Anlage gehandelt habe, war in dem Prozeß allerdings lange Zeit umstritten. Einer der Hauptgutachter, der Schweizer Professor Werner Richarz, kam zu dem Schluß, daß die Anlage eindeutig zur Giftgas-Synthese hergestellt worden war und zur Herstellung anderer Produkte wie etwa Pflanzenschutzmittel — so die Behauptung der Angeklagten — gar nicht geeignet war. Doch Richarz erkrankte später, und andere Gutachten behaupten das Gegenteil.

Der Kolb-Export in den Irak hatte schon 1984 für Schlagzeilen gesorgt. Damals berichtete die New York Times mit Berufung auf CIA-Material erstmals über den Fall. Später stellte sich dann heraus, daß die deutschen Behörden zu diesem Zeitpunkt bereits über Geheiminformationen über den militärischen Charakter der Anlage im Irak besaßen. Dennoch dauerte es noch geschlagene acht Jahre, bis die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die „Krämer des Todes“ erhob, und zwei Jahre, bis sich die Bundesregierung bequemte, das Außenwirtschaftsgesetz zu verschärfen. Zudem verhielt sich die Bundesregierung im Prozeß alles andere als hilfreich: Erst nach der Drohung des Richters, das Verfahren einzustellen, genehmigte Bonn deutschen UNO-Inspektoren die Aussage in Darmstadt.

In der gestrigen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende Richter Alfred Pani den Freispruch denn auch auf untaugliche Strafbestimmungen zurück. Das Verfahren habe die „bittere Erkenntnis“ gebracht, daß die Bundesrepublik dreißig Jahre lang den Export waffenfähiger Chemieanlagen ermöglicht habe.

Ob es indes bei der seit 1986 verschärften Gesetzeslage bleibt, ist unsicher. Die Union strebt bei einer „Harmonisierung“ der Exportrichtlinien von Kriegswaffen in der EU eine Entschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes an. klh

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