Kampflos will Niedersachsens Frauenministerin nicht aufgeben

■ Waltraud Schoppe, die Grünen und die Frauenpolitik

Hannover (taz) – Die türkisfarbene Brille hat die niedersächische Frauenministerin ins rote Haar geschoben, und auf einem der großgeblümten Sessel ihres Dienstzimmers sitzend antwortet sie eindringlich und engagiert wie immer. „Wenn der grüne Landesvorstand mich nach der Wahl nicht mehr als Frauenministerin will, dann muß er es offen vertreten“, geht Waltraud Schoppe ihre innerparteilichen Gegnerinnen direkt an: „Dann müssen die Grünen auch sagen, wer künftig ihre Frauenpolitik repräsentieren soll.“ Vor allem aber kränkt es die Frauenministerin, „daß es nun einigen Grünen zupaß kommt, daß ich momentan nicht fit bin“. Nach ihrem Kreislaufkollaps im Dezember hat sie nun alle Wahlkampftermine abgesagt und beginnt auf dringenden ärztlichen Rat eine Kur. „Ich mache gerne Politik und am liebsten als Frauenministerin in Niedersachsen“, sagt sie, „aber es muß aufhören, daß man mich hinter meinem Rücken schlecht macht.“

Bevor Waltraud Schoppe im Jahre 1990 ihr Amt antrat, gab es in Niedersachsen lediglich eine Landesfrauenbeauftragte, die nicht einmal das Recht hatte, regelmäßig an Kabinettssitzungen teilzunehmen. Heute ist das mit 72 Mitarbeiterinnen ausgestattete Landesfrauenministerium das größte der Republik, und im Lande gibt es bis hinunter auf die kommunale Ebene ein Netzwerk von Gleichstellungsinstitutionen mit tatsächlichen Kompetenzen. Für Fortschritte für die Frauen im großen wie im kleinen hat das neue Ministerium gesorgt. Da wurde neben dem Frauenbeauftragtengesetz etwa der Erlaß über die Gleichbehandlung von Frauen und Mädchen in Kraft gesetzt. Da hat das Haus Schoppe auch initiiert, daß der Rundfunkstaatsvertrag die paritätische Besetzung der Gremien des NDR festschreibt.

Den Landtag noch nicht passiert hat allerdings das Landesgleichberechtigungsgesetz, das im Landesdienst und bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts bis zur Erfüllung der 50-Prozent- Quote die bevorzugte Einstellung von Frauen vorsieht. Es soll zwar noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden, aber erst in einer Sitzung nach dem Wahltermin. Dennoch stellen die Landtagsgrünen der Gesetzgebungsarbeit des Frauenministeriums gute Noten aus. In Umfragen wird die Frauenpolitik in Niedersachsen zuerst genannt, wenn Meinungsforscher nach wirklichen Veränderungen durch Rot-Grün fragen.

Das niedersächsische Frauenministerium war stets ein Querschnittsministerium. Es hatte sich immer dann in Entscheidungen anderer Ressorts einzumischen, wenn frauenpolitisch Relevantes anstand. Originär zuständig war das Haus auch für Familienpolitik und Jugendschutz, und dies kam dem Anspruch Schoppes entgegen, Frauenpolitik nicht in erster Linie für die Klientel der Grünen, sondern für alle Frauen zu machen. In Hannover wurde ein Familienplanungszentrum gegründet. In Niedersachsen sind heute in 30 Arztpraxen ambulante Schwangerschaftsabbrüche möglich. Die Förderung von Zufluchtsstätten für mißhandelte Frauen und Kinder wurde zwischen 1990 und 1994 von 1,6 Millionen auf 4,34 Millionen erhöht. Das Frauenministerium hat aber auch gemeinsam mit den Landwirtschaftskammern ein Beratungsnetz für Bäuerinnen initiiert, hat den Anstoß für ein spezielles „Existensgründerinnenprogramm“ des Landes gegeben und fördert mit 700.000 Mark jährlich 41 niedersächsische Mütterzentren. Gerade durch die Förderung dieser Selbsthilfebewegung ist Waltraut Schoppe aber auch ins Schußfeld innerparteilicher Kritik geraten. Nachdem sie dem Landesvorstand ihre Frauenpolitik noch einmal dargestellt hatte, lautete dessen Urteil, die Ministerin setze sich nicht ausreichend für die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ein.

Während der Dezembersitzung des niedersächsischen Landtages erlitt Waltraud Schoppe einen Kreislaufkollaps. „Zwölf Jahre im politischen Dauerstreß haben natürlich auch Spuren hinterlassen“, sagt sie. Vor dem Zusammenbruch war Waltraud Schoppe allerdings auch als Zitat aus dem Landesvorstand der Satz zugetragen worden: „Die Alte schieben wir aufs Altenteil.“ Schon zuvor hatte der letzte Landesparteitag sie nicht in jene achtköpfige Kommission gewählt, die nach der Wahl mit der SPD über die Fortsetzung der Koalition verhandeln wird. Schoppe kann noch heute kaum fassen, daß sie dann „einfach dort nicht dabei sein wird“.

Die Wahl im März ist Schoppes Ansicht nach „noch längst nicht“ gelaufen. In manchen Umfragen lägen die Grünen inzwischen wie vor vier Jahren nur noch bei sieben Prozent. Gerade in der Frauen- und Umweltpolitik hat die Grüne Partei in den Augen der Wähler einen Kompetenzvorsprung vor anderen Parteien. „Doch das ständige Runtermachen der eigenen Leistungen“, sagt die Frauenministerin, „sorgt dafür, daß am Ende das Bild der Grünen nur noch diffus ist.“ Jürgen Voges