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Kroaten werden zwangsrekrutiert

■ Abgeschobene Kriegsflüchtlinge werden mit der Waffe in der Hand in den Krieg nach Bosnien geschickt

Göttingen (taz) – „Nach Kroatien“, sagt der in Bosnien geborene D., „gehe ich nicht zurück. Nicht, solange es Kämpfe gibt.“ Als in Bosnien-Herzegowina der Krieg ausbrach, floh er zunächst nach Zagreb. Da er eine Taufurkunde vorlegen konnte, verliehen ihm die Behörden die kroatische Staatsbürgerschaft und ließen ihn in die BRD ausreisen. D. gehört zu den fast 100.000 kroatischen Bürgerkriegsflüchtlingen in der Bundesrepublik, die nach dem 30. April verschoben werden sollen.

Zurückgekehrte Männer, auch Jugendliche und Alte, würden vom kroatischen Militär zwangsrekrutiert und nach einer kurzen militärischen Ausbildung in der „Kroatien-Kaserne“ in Zagreb zum Kampfeinsatz an eine der bosnischen Fronten geschickt, so der 38jährige am Dienstag in Göttingen auf einer Pressekonferenz des Niedersächsischen Flüchtlingsrates. Wer sich verweigere, werde geschlagen und gefoltert. Allenfalls bei Vorlage eines ärztlichen Attestes und Zahlung von Bestechungsgeld könne man dem Kriegsdienst entgehen. „Die kroatische Regierung behauptet, daß in Bosnien nur Freiwillige kämpfen. Das ist eine Lüge.“ Dem Flüchtlingsrat liegen mehrere Berichte vor, die bestätigen, daß auch zurückgeschobene Flüchtlinge in Kroatien systematisch für den Militärdienst in Bosnien eingezogen werden. Fast täglich fänden Razzien statt. Vor allem aus Bosnien stammende Männer, die wegen ihrer Religionszugehörigkeit als Kroaten angesehen würden, seien von den Maßnahmen betroffen, schreibt die kroatische Sektion der Menschenrechtsorganisation „Helsinki Watch“. Allein seit November seien 10.000 bosnische Kroaten von der kroatischen Armeeführung mit Waffen in der Hand in ihr Heimatland zurückgeschickt worden. Alle Kriegsparteien im ehemaligen Jugoslawien haben in den vergangenen Tagen eine Generalmobilmachung angeordnet oder angekündigt. Abschiebungen dürfe es deshalb in keine der vom Konflikt betroffenen Republiken geben, fordert Matthias Lange, Vorstandssprecher des Flüchtlingsrates. Die geplante und insbesondere von Bayern und Baden-Württemberg forcierte Massenabschiebung sei „unmenschlich und verbrecherisch“. Die Innenminister von Bund und Ländern, die am 9. Februar noch einmal in dieser Sache zusammenkommen wollen, müßten alle Bürgerkriegsflüchtlinge vom Balkan nach § 32a des Ausländergesetzes zumindest so lange dulden, wie der Krieg andauere. Reimar Paul

Frauenzentrum in Bosnien droht das Aus

Bonn (dpa/taz) – Dem Frauen- Therapiezentrum Medica in Zenica, rund 80 Kilometer nordwestlich von Sarajevo, droht die Schließung. Die im April 1993 von Privatpersonen gegründete Zufluchtstätte für vergewaltigte Frauen in Bosnien sei vollständig von der Versorgung durch Konvois aus dem Ausland abhängig, sagte die Begründerin des Projekts, Monika Hauser, gestern vor Journalisten in Bonn. Seit Herbst vergangenen Jahres hätten jedoch nur wenige Hilfskonvois die belagerte Stadt erreicht. Die rund 65.000 Flüchtlinge in der Stadt, darunter überwiegend Frauen und Kinder, lebten unter dem Existenzminimum. Im Zentrum versorgen nach Angaben von Hauser derzeit rund 50 Mitarbeiter etwa 600 Frauen und Kinder.

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