: Armee spart sich Frieden
Rühe legt Streichungsplan über 600 Mio. Mark vor ■ Aus Bonn Hans Monath
Die traurige Wahrheit über die Macht von Friedensbewegung und Finanzminister hat Werner Schulz von der Bundestagsgruppe Bündnis 90/Grüne kürzlich auf den Punkt gebracht: „Der Theo hat die Bundeswehr mehr abgerüstet als die 50 Kilo Papier, die Grüne zur Abrüstung produziert haben.“ Schließlich muß Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) in seinem Etat 1,25 Milliarden Mark streichen – und das geht nicht ohne Eingriffe in die Substanz. Mit seinem Spardiktat gelingt Finanzminister Theo Waigel nebenbei, wofür die Friedensbewegung bislang vergebens gekämpft hat: Neue Auslandseinsätze der Bundeswehr sind momentan nicht mehr finanzierbar – zumindest nicht im laufenden Haushaltsjahr.
Gestern stellte Minister Rühe sein Konzept für die Einsparung der ersten Hälfte von 1,25 Milliarden Mark (von rund 48 Milliarden) dem Verteidigungsausschuß vor. Das meiste Geld, nämlich 220 Millionen Mark, soll der Verzicht auf teure Einkäufe bringen. So muß die Bundeswehr etwa ohne 50 Transportpanzer vom Typ Fuchs auskommen, die fest eingeplant waren. Womöglich verliert auch die Rüstungsfirma Mauser in Oberndorf einen Großauftrag über das Flugabwehrsystem „Midas“, denn 40 Millionen Mark Entwicklungsmittel dafür sollen ebenfalls gestrichen werden.
Auch beim Personal wird kräftig gespart (165 Millionen Mark). So sollen 1.500 Stellen von zivilen Bundeswehrangestellten abgebaut, weniger Soldaten auf Zeit angestellt werden. Statt bisher 155.000 werden jährlich nur noch 146.000 Wehrpflichtige eingezogen. Freuen dürfen sich die Reservisten: Im zweiten Halbjahr 1994 werden die Wehrübungen ausgesetzt (Spareffekt: 45 Millionen). Auch hochsymbolische neue Standorte im Osten – etwa die Heeresoffiziersschule Dresden — werden gestrichen (60 Millionen).
Schon am Dienstag hatte Rühe den Verteidigungspolitikern von CDU/CSU und SPD sowie einem handverlesenen Kreis von Journalisten sein Konzept präsentiert. Die FDP-Arbeitsgruppe mußte mit dem Referat eines Staatssekretärs Vorlieb nehmen — für den FDP-Abgeordneten Jürgen Koppelin eine „Brüskierung des Koalitionspartners“. In den vergangenen sieben Jahren, so schimpfte sein Kollege Nolting, seien die Regierungsparteien stets gemeinsam informiert worden.
FDP-Parlamentarier monieren, die Sozialdemokraten fräßen Rühe im Ausschuß aus der Hand. Umgekehrt deuten sie die Bevorzugung der aussichtsreichen Oppositionspartei als bewußten Vorgriff auf eine große Koalition. Daß Rühe sich in dieser Kombination gerne als Außenminister sähe und bereits seit Monaten nach Kräften im Amtsbereich seines Ministerkollegen Kinkel wildert, ist in Bonn kein Geheimnis.
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