: Michaels Menschenleben
■ betr.: „Alices Tierleben“, taz vom 22.1.94
„Tiere kennen keine moralischen Gesetze“, so heißt eine zentrale Prämisse in der Argumentation von Michael Miersch. Aber ein neugeborener Mensch kennt auch keine moralischen Gesetze, und niemand käme auf die Idee, daß es deshalb gerechtfertigt wäre, ihn zu töten. Es gibt auch Menschen, die aufgrund sogenannter Unzurechnungsfähigkeit für ihre Taten nicht bestraft werden. EmpfängerInnen von Rechten müssen nicht unter allen Umständen auch AkteurInnen von Pflichten sein. Trotzdem ist ihnen gegenüber von seiten Zurechnungsfähiger keine Willkür erlaubt, vielmehr gilt hier ein erhöhtes statt ein vermindertes Maß von Rücksichtnahme. Die Auffassung, es gäbe keine Rechte, wo die korrespondierenden Pflichten fehlen, ist schlichtweg falsch.
Michael Mierschs Kriterium für die Behandlung von Menschen und Tieren ist also nicht moralisch- juridischer Herkunft, sondern bezieht sich auf die Artzugehörigkeit der Handlungsbetroffenen. „Dahinter steckt ein Weltbild“, das dem Rassismus verwandt ist.
Ein anderer Widerspruch sei am Rande vermerkt: einerseits tauge die Natur nicht als Vorbild, andererseits dient der Gemeinplatz vom natürlichen Fressen und Gefressenwerden dazu, Fleischverzehr zu rechtfertigen. Da findet der Kommentator für seine Speisegewohnheiten also doch Vorbildliches in einem Teilbereich der Natur: bei der Ernährungsweise der Katzen der Emma-Redaktion. [...] Hans-Jürgen Schubert, Lübeck
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