Unterm Strich

Bleich und übelriechend schleichen die Kollegen durch den Sonntagsdienst; nur gut, daß Sie uns nicht sehen können und daß es noch kein Bild- oder Riechtelefongibt. Unsere permanente Sendung hier heißt „Wenn die andern feiern...“, denn nicht nur zur Weihnachtszeit hat man als Redakteuse das untrügliche Gefühl, das dort draußen tosende Leben am Sonntag glitsche einem so bißchen durch die Finger. Sei's drum. Wenn ihr nur habt!

Jedenfalls hat der Präsident der Goethe-Institute, Hilmar Hoffmann, an alle Oberbürgermeister appelliert, sich in ihren Städten an die Spitze der Kulturpolitik zu stellen (tu's nicht, Ebe!) und einen kulturellen Kahlschlag zu verhindern. Am Beispiel Frankfurt sei derzeit gut zu demonstrieren, wie ideenlose, in Verteilungskämpfe verzettelte Kommunalpolitiker nur für ihre eigene Legislaturperiode planten und populistisch ihr Engagement im Sozialbereich auf Kosten der Kultur verstärkten. Das wußten wir allerdings noch nicht, daß Engagement im Sozialen einen beliebt macht. Dabei sei es doch so, erklärte Hoffmann, daß Investitionen im Kulturbereich langfristig Sozialausgaben einsparen hülften.

Nein, all dies wußten wir noch nicht, hätten wir gern einmal in klirrenden Fakten belegt gesehen, obwohl und weil der Mann womöglich durchaus Recht hat. Seine Überlegung hängt mit der durchaus berückenden Tatsache zusammen, daß im Jahr 2000 nicht nur Jonas, sondern auch eine Menge anderer Leute, ein ganzes Drittel der Bevölkerung älter als 65 Jahre alt sein wird. Oh Mann. Und diese Typen könnten sich dann langweilen, zusammen mit den Arbeitslosen und den verkürzt Arbeitenden. Also müsse man mit entsprechenden Freizeitangeboten aufwarten. Interessant: Beschäftigungstherapie als Katastrophenschutz? Ein Tischfußballspiel für junge Rechtsradikale? Nein, nein, ist schon recht. Wo Bibliotheken, kommunale Kinos und Schwimmbäder geschlossen werden, da bricht Ödland aus. Schließlich sind wir hier nicht in Detroit und wollen's och nicht sein. Wie gehabt befürwortet Hoffmann die Zuhilfenahme privater Sponsoren.

Die European Film Academy EFA, die man sonst nur über die Verleihung relativ nutzloser Preislein kennt (schon mal vom „Felix“ gehört? Wir auch nicht: Wir waren nicht eingeladen) hat sich hinter die Filmemacher aus Sarajevo gestellt, und zwar mit einer Summe von 6.000 DM, einer Video-Kamera, Bereitstellung von 35-mm-Kopierwerk und Schnittplätzen (wie das klingt!) an der Filmhochschule. Endlich mal was Praktiches. Über eine New Yorker Organisation gelang es, Kontakt mit der Filmemachergruppe um den Regisseur Ademir Kenovic herzustellen, der im Moment selbst dringend einen Schnittplatz für den Dokumentarfilm braucht, den er gerade abgedreht hat. Er sucht außerdem eine Möglichkeit, den Film auf 35 mm

umzukopieren. Wer was weiß, wende sich an die European Film Academy, das Berliner Büro hat die Nummer 8934132.

Unter dem zugegebenermaßen etwas wuchtigen Titel „Juden gegen Selbstdarstellung Rechtsradikaler in ARD“ meldet die Nachrichtenagentur APD, daß Michel Friedman, Präsidiumsmitglied des Zentralrats der Juden, im Saarländischen Rundfunk sagte, es sei ungeheuerlich, daß die ARD jetzt schon ankündigt, vor den Wahlen in diesem Jahr sollten auch rechtsradikale Parteien eine Chance zur Präsentation ihrer Standpunkte erhalten. Damit schicke die ARD voraus, „daß die NPD oder die Republikaner realistische Chancen haben, in die Parlamente zu kommen.“ Was an dieser Einschätzung so problematisch ist, wissen wir wiederum auch nicht; die ARD jedenfalls haben sich auf die Rechtslage zurückgezogen und erklärt, daß sie bei Einladungen zu Vorwahlsendungen all jene Parteien berücksichtigen muß, denen seriöse Umfragen realistische Chancen für einen Einzug ins Parlament einräumten. Die geplanten Sendungen böten jedoch „keine Gelegenheit zu ungefilterter Selbstdarstellung“. Statt dessen müßten sich die Teilnehmer „kritischen Fragen“ stellen. Friedman forderte, die ARD solle journalistisch alles dafür tun, daß Rechtsradikale keine Chance bekämen, in die Parlamente zu ziehen. Die Berichterstattung über den Wahlkampf müsse deutlich machen, daß die Verführung durch rechtsradikale Thesen die Demokratie aufs Spiel setze. Friedman verlangte außerdem eine Änderung der Medien-Staatsverträge. Es sei unerträglich, wie sich Politik und Journalismus gegenseitig die Verantwortung zuschöben.

Ausgerechnet der Herr Cantador Paul Anka („He did it hiiiiiiiis way“) wird mit dem französischen Kulturorden des Arts et des Lettres geehrt. „Des Lettres“ verstehen wir ja noch, aber „des arts“?