: Weg mit dem Waffenembargo!
■ Europäisches Forum für Bosnien-Herzegowina gegründet
Göttingen (taz) – Penible Taschenkontrollen am Eingang, eine Schweigeminute zu Beginn der Veranstaltung – der blutige Artillerieangriff auf den Marktplatz von Sarajevo prägte auch die gestrige Gründungsversammlung des Europäischen Forums für Bosnien- Herzegowina in Göttingen.
Mehr als 500 VertreterInnen von bosnischen Exilorganisationen und Heimatvereinen aus mehreren mitteleuropäischen Ländern waren der Einladung der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) gefolgt. GfbV-Chef Tilman Zülch wies in seinem Eingangsreferat gleich den Weg: Auf den Bundeskanzler, der sich nach den jüngsten Terroranschlägen in Sarajevo durch die öffentliche Ablehnung einer militärischen Intervention „einmal mehr zum Komplizen der serbischen Aggressoren und ihrer Helfershelfer in Zagreb“ gemacht habe, sei nicht mehr zu zählen. Statt Angreifer und Angegriffene in Bosnien beim Namen zu nennen, sprächen Medien und Politiker nur zurückhaltend vom „Bürgerkrieg in Jugoslawien.“
Das Forum, als erster repräsentativer Zusammenschluß der rund 500.000 Exil-BosnierInnen in Mitteleuropa gedacht, will denn auch von diplomatischer Zurückhaltung und „Friedensgesprächen“ nichts mehr wissen. In einmütig verabschiedeten Resolutionen und Appellen an US-Präsident Clinton und die heute in Brüssel versammelten Außenminister der Europäischen Union sprachen sich die Anwesenden für den unbedingten Erhalt des multi-ethnischen bosnischen Staates aus. Das Waffenembargo gegen Bosnien gehöre aufgehoben, Serben und Kroaten als Kriegsschuldige genannt und gebrandmarkt. Die Souveränität des „UN-Mitglieds Bosnien-Herzegowina“, so schreibt es die verabschiedete „Grundsatzdeklararation“ des Forums fest, müsse „notfalls auch durch die Anwendung defensiver militärischer Maßnahmen der Nato oder eines anderen Verteidigungsbündnisses“ durchgesetzt werden. Kirche und Medien nahm die Versammlung besonders ins Gebet. Während insbesondere die Protestanten in Europa den „Dialog mit den Weltreligionen“ pflegten, übten sie bei der Zerstörung einer 600 Jahre alten europäischen Kultur in Bosnien Zurückhaltung, hieß es. In einem Appell an die Intendanten von Deutscher Welle und WDR, Weinrich und Nowottny, werden diese aufgefordert, „für die von Völkermord und Vertreibung bedrohten Bosnier im Rahmen des Ausländerprogramms eine eigene Rundfunksendung zuzulassen“. Reimar Paul
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