Körper, die auf Wassern treiben

■ DAAD-Gäste aus Bangladesch zeigen Welt-Bilder in der Berliner HdK

Als wäre ihnen der Anschluß zum Diskurs verlorengegangen, wirken die Arbeiten von Murshida Arzu Alpana und Dhali Al-Mamoon seltsam schwebend und wie aus einer Schräglage zum Debattentrend gemacht. Ende Januar eröffnete die Berliner Hochschule der Künste (HdK) eine Ausstellung mit Radierungen zu religiösen Legenden und mit Siebdrucken, die Positionen zwischen figürlicher Darstellung und abstrakter Komposition ausloten. Die ganz klassischen Verfahren. Dennoch drängelte sich lautstark am ersten Abend das Publikum wie sonst nur zu einer allzu begierlich erwarteten Vernissage. Murshida Arzu Alpana und Dhali Al-Mamoon zeigten erstmals, was während ihres bislang dreimonatigen Aufenthalts in Berlin entstanden ist: Beide Künstler kommen – Premiere an der HdK – aus Bangladesch.

Auf der Liste der großen Künstlerprogramme steht Bangladesch allerdings nicht. Die weite Welt des hauptstädtischen Stipendiaten-Austauschs endet in Moskau oder Sidney, an Grenzorten abendländischen Denkens. Und so hat Alpana und Al-Mamoon nur ein bürokratischer Umweg nach Berlin geführt. 1992 referierte Christian Rothmann, künstlerischer Mitarbeiter der HdK, am Goethe-Institut in Dhaka über „Artists and Environment“. Während eines Workshops im Haus lernten sich Alpana, Al-Mamoon und Rothmann näher kennen – ein Gegenbesuch in Berlin lag dann nahe. Für die offizielle Einladung aber, wichtiges Papier auf deutschen Einreisebehörden, bedurfte es der drängenden Fürsprache des Goethe-Instituts beim DAAD, bis dieser den beiden Künstlern sein Wissenschaftsprogramm öffnete. Schließlich arbeitet Alpana als Lehrbeauftragte am Institute of Fine Art der Universität von Dhaka, Al-Mamoon als Professor am Department of Fine Art in Chittagong.

Eine künstlerische Laufbahn an der Akademie ist in Bangladesch nichts Außergewöhnliches, bieten sich doch Künstlern neben der Arbeit im Kunsthandwerk oder in traditionellen Genres wie der Miniaturmalerei sonst kaum Möglichkeiten der Existenzsicherung. Obwohl das Institut in Dhaka schon 45 Jahre besteht, obwohl nach der Unabhängigkeitserklärung von 1971 auch Art Colleges in anderen Städten gegründet wurden und seit 1975 regelmäßig die National Art Exhibition stattfindet, ist der Kunstmarkt klein geblieben, verkaufen die wenigen privaten Galerien hauptsächlich Folklore. Aber selbst die Universität garantiert keine hundertprozentige Sicherheit: Wenn sich moslemische Fundamentalisten und Hindus Schießereien liefern, erinnert sich Rothmann, fällt der Unterricht auf dem Campus aus. Freilich erschien ein Besuch aus Bangladesch vor allem aus anderen Gründen wichtig: So wenig Europäer über das Kunstgeschehen am Gangesdelta wissen, so rar sind dort Informationen aus dem sogenannten Abendland. Während aktuelle Kunst aus China, Japan und den USA in Fachkreisen erörtert wird, blieben von den britischen Kolonialisten nur ein paar alte Bildbände und eine Radierpresse zurück. Al-Mamoon und Alpana besuchen darum jetzt nicht nur die großen Museen des Kontinents, sondern arbeiten in den Ateliers der HdK vor allem in verschiedenen Techniken, für die das Equipment in Bangladesch fehlt.

Mit Material und Werkzeug haben sich nun auch die Motive ihrer Arbeiten gewandelt. Auf den Nationalausstellungen hatte Al-Mamoon großformatige Gemälde gezeigt, die in den traditionellen leuchtenden Farben und mit ornamental geordneten Figuren von der Gegenwart Bangladeschs berichten, von der Präsenz des Militärs und der Hoffnung auf eine demokratische Zukunft. Zitate aus der Bildsprache anderer Kulturen, aus Pop-art und Renaissance, indischen Filmen oder der Symbolik des Islam ordnen die Szenen der Weltgeschichte zueinander. In Berlin hat sich Al-Mamoon nunmehr auf den Mythos des Himmelwesens Bahula konzentriert, deren Hochzeit im Tod ihres Gemahls endet: Der Körper treibt auf einem Wasser davon. Zwar deutet Al- Mamoon das Geschehen in seinen großformatigen Radierungen noch mit zarten Linien an, die narrative Logik jedoch läßt er hinter den Zufall zurücktreten, mit dessen Hilfe er jetzt Emotionen und Spontaneität entdecken will. Die Säure auf der Platte hat Al-Mamoon wie Wasserfarbe verstrichen und die so verschleierten Drucke dann noch einmal mit echter Farbe bearbeitet – gelb oder rot, getupft und gespritzt umkreist der Zyklus vorsichtig die großen Fragen nach Raum und Zeit.

Alpana, mehrfach international ausgezeichnet, verzichtet ebenfalls auf programmatische Darstellungen, etwa selbstbewußter Frauen, wie noch 1992 auf dem Wasserfarben-Gemälde „Joy of Pride“. Statt dessen thematisiert sie instabile Beziehungen, wie sie die 32jährige Muslimin nicht nur in ihrem Bekanntenkreis in Bangladesch, sondern seit ihrem halbjährigen Göttinger Deutschstudium gerade in der hiesigen Gesellschaft beobachtet hat. Wenn sich auch in den farbigen Zeichnungen vereinzelt energische Frauengestalten finden, wirken die Figuren im Ensemble doch demonstrativ unsicher. Gerade Mann und Frau begegnen sich nicht wirklich: Mal steht ein Gegenüber auf dem Kopf, ganz sicher aber mangelt es beiden an Merkmalen einer Identität. Als beruhigende Konstante tauchen nur immer wieder die Tusch-Tiere auf, die Alpana über collagierte Fetzen aus Fundpapier gezeichnet hat.

Von den Siebdrucken hingegen springen die einander so fremden Menschen den Betrachter förmlich an. In mehreren Layout-Durchgängen hat Alpana die Belichtungszeiten solange variiert, bis die grellen Flächen verschiedenste Nuancen in Struktur und Farbe zeigten – die gestörten Freundschaften scheinen unter Kräften zu explodieren, die sich nicht mehr kontrollieren lassen. Claudia Wahjudi

Die Ausstellung mit Arbeiten von Murshida Arzu Alpana und Dhali Al-Mamoon ist noch bis zum 16. Februar in der Hochschule der Künste in Berlin-Wilmersdorf zu sehen.