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■ Was wird aus dem Frauenstreik am 8.3.1994?Genau das, was wir daraus machen

Was würde eigentlich passieren, wenn die Fernsehfrauen sich eine Woche lang weigerten, Sendungen auszustrahlen, in denen ihre Geschlechtsgenossinnen zu Unterhaltungszwecken belästigt, bedroht, geschlagen, vergewaltigt und ermordet werden? Wieviele Thriller müßten geopfert werden, wieviele harmlose Serienfolgen ausfallen? (Heute abend allein im Ersten: Im „Großstadtrevier“, bei „Liebling Kreuzberg“, bei der „Lady mit dem Colt“ mit der Folge „Der Witwenmacher“ und dem „Herz aus Stein“ spielen weibliche Leichen gewissermaßen tragende Rollen: beinahe das komplette Abendprogramm.) – Natürlich kann man eine endlose Debatte an diesen Vorschlag knüpfen, weil schließlich nicht erwiesen ist, wie unmittelbar oder eben nicht Medien wirken. Aber möchte jemand im Ernst geltend machen, es habe keinerlei Einfluß auf die nachwachsende Generation (um deren psychische Verfaßtheit sich gerade die Medien so intensiv sorgen), daß Frauen im öffentlichen Zerstreuungsbild auf die Opferrolle abonniert sind, damit Spannung aufkommt?

Der Frauenstreiktag in der BRD ist ein Ereignis, das auf das Echo der Medien angewiesen ist: Echo ist hier schon Mobilisierung. Denn anders als 1991 in der Schweiz gibt es keine gemeinsame Bezugnahme auf ein offen diskriminierendes Faktum der Gesellschaft; die Erfahrung der Benachteiligung (um auch sprachlich den kleinsten gemeinsamen Nenner zu wählen) reicht hier von ungleicher Bezahlung über linguistisches Verschwinden bis zu den oben erwähnten Unterhaltungskonventionen, von patriarchaler Gesetzgebung über Karrierehindernisse qua Erziehungsauftrag bis zum großen Rollback feministischer Positionen bis hinein in die grüne Partei. In der von überwiegend männlicher Politik geschaffenen Rezession schließlich wird der weibliche Faktor mit beinahe mühelosem Einverständnis endgültig zum Nebenwiderspruch – gerade weil es Frauen ja so leicht fällt, ihre vermeintlich egoistischen Interessen den allgemeinen unterzuordnen. Denn dafür liebt man sie ja, und nie war ihre Selbstlosigkeit so wertvoll wie heute.

Was tun? Das wirksamste Mediengesetz ist immer noch der Überraschungseffekt; es muß, ganz banal, etwas zu berichten geben. Die Medien selbst aber – oder wenigstens deren Mitarbeiterinnen – sollten sich klar darüber sein, daß hier mit dem klassischen journalistischen Ethos nicht mal ein Blumenstrauß zu gewinnen ist. Beim Frauenstreik hängt mehr von ihnen ab als bei jedem anderen Thema: Die so geläufig formulierte Einsicht, daß sie auch Wirklichkeit schaffen, könnte ausnahmsweise einmal feministische Konsequenzen haben. Elke Schmitter

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