Hilfreich für Nazis und Papst

■ Ex-Deutsche-Bank-Chef Abs starb im Alter von 93 Jahren

Hamburg (taz) – Hermann Josef Abs pflegte ein schlichtes Credo: „Was gut ist für die Deutsche Bank, das ist auch gut für die deutsche Bundesrepublik.“ Der Lebenslauf des Bankiers weckt allerdings Zweifel an der Richtigkeit dieses Satzes. Im Nationalsozialismus an prominenter Stelle aktiv, baute Abs später den Deutsche- Bank-Kapitalismus wieder mit auf. Der Ehrenvorsitzende der Deutschen Bank AG starb am Sonntag im Alter von 93 Jahren.

In dem vom Bundesministerium der Verteidigung herausgegebenen „Heft für politische Bildung und innere Führung“ wurde Abs im Jahre 1975 als Widerstandskämpfer gegen die Nazis vorgestellt. Achtmal soll er den aktiven NS-Gegner in Wehrmachtsuniform Helmuth James von Moltke getroffen haben. Neben diesem inaktiven Widerstand leistete der Pfeiferaucher aktive Arbeit an zentraler Stelle der nationalsozialistischen Rüstungswirtschaft: 1938 wurde Abs mit 36 Jahren jüngstes Mitglied im Vorstand der Deutschen Bank AG (DB). Er wußte, „zum Kriegführen gehört Geld und nochmals Geld“ – und so wird Abs es auf den Vorstandssitzungen begrüßt haben, daß bereits im zweiten Kriegsjahr 60 Prozent aller Kredite der größten deutschen Bank an den Staat verliehen wurden.

Einen mittelbaren Kriegseinsatz leistete Abs mit 30 Mandaten in Aufsichtsräten, darunter bei den IG Farben, der Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken und Zeiss-Ikon. Bei internationalen Verhandlungen trat Abs als der Repräsentant der deutschen Wirtschaft auf. So verschaffte er dem Deutschen Reich ein finanzielles Stillhalteabkommen mit den Siegern des ersten Weltkrieges.

Die US-Militäradministration für Deutschland empfahl 1947, die Deutsche Bank zu liquidieren und „die leitenden Mitarbeiter von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen Leben Deutschlands auszuschließen“. Davon letztlich unberührt, begann „Hermann J.“, so die offiziöse Schreibweise, den zweiten Teil seiner Karriere. Er stieg, als Vorsitzender der Deutschen Bank, zum wichtigsten Mann der Republik auf:

– Er entwarf die Kreditanstalt für Wiederaufbau und war so als Verwalter der Marshallplan-Gelder für den Wiederaufbau Westdeutschlands mitverantwortlich.

– Als deutscher Verhandlungsführer erwirkte Abs das „Londoner Schuldenabkommen“ von 1953. Im Umfeld des Ost-West-Konfliktes mögen die West-Alliierten wie die deutsche Seite zufrieden gewesen sein. Doch den meisten Profit aus dem Abkommen erzielte die westdeutsche Wirtschaft: Sie wurde international kreditwürdig, die D-Mark bald frei tauschbar, und politisch war der Grundstein zur Wiedererlangung der deutschen Souveränität gelegt.

– Abs saß persönlich als Aufsichtsratsvorsitzender an den Schalthebeln vieler großer Konzerne, darunter Daimler-Benz, Holzmann, RWE und Südzucker. Zu den institutionellen Verflechtungen kamen private bis ins feindliche Lager: Sein Schwager Graf von der Goltz war Kontrolleur der Dresdner Bank. Die Ämterfülle führte in den sechziger Jahren zur Novelle des Aktiengesetzes, das als „Lex Abs“ berühmt wurde: Der Gesetzgeber begrenzte die Mandate pro Kopf auf zehn in fremden Unternehmen. Nicht begrenzt wurde mit der „Lex Abs“ die Macht der Banken. So unterhält die Deutsche Bank heute mehr als 3.700 personelle Verflechtungen zu Unternehmen und Verbänden.

In seinen vermutlich besten Tagen beriet Hermann Josef Abs die entscheidenden deutschen Nachkriegskanzler Adenauer und Erhard. Von seinen Verehrern als nahezu heilige Inkarnation der Deutschen Bank idealisiert, gehörte zu den letzten wichtigen Aufgaben des Bankiers die Neuordnung der Finanzen des Papstes und die Umstrukturierung der Vatikan-Bank. Nach der Erde bleibt vielleicht nur noch der Himmel zu erobern. Trotzdem sind Sorgen unbegründet, die Deutsche Bank könnte nach dem Tode von Abs das Weltliche aus den Augen verlieren. Hermannus Pfeiffer