Am Elend goldene Nase verdienen

■ In Flüchtlingsheimen herrschen katastrophale Wohnverhältnisse / Die Privatfirma Sorat GmbH löst kontroverse Diskussion aus

Es sollte ein politisches Zeichen sein. Die Senatsverwaltung für Frauen und Soziales wollte mit einem Haus für bosnische Flüchtlingsfrauen die Not lindern. Von dem ursprünglichen Konzept, Frauen aus dem Kriegsgebiet herauszuholen und ihnen psychologische Betreuung zu bieten, ist indes nicht mehr viel übrig. Ihrem Unmut machten mehrere Fraueninitiativen in einem offenen Brief an die Senatsverwaltungen Luft.

Nur wenige der 86 Plätze in dem Heim sind tatsächlich mit Frauen aus dem Kriegsgebiet besetzt. Die Initiativgruppe Azra, die Anfang 1993 mit finanzieller Unterstützung der Senatsverwaltung für Frauen ein Konzept für das Frauenflüchtlingsheim erarbeitete, könnte jedoch nach eigenen Angaben die Namen von 300 bis 400 Frauen nennen, die Kroatien sofort verlassen wollen.

Im Frauenflüchtlingsheim versucht man derzeit, auf eigene Faust zwölf Frauen aus Kroatien herauszuholen. Bislang sei die Aktion jedoch nicht geglückt, weil es Schwierigkeiten mit den kroatischen Behörden gebe, sagt Bettina Martin, Pressesprecherin der Senatsverwaltung, gegenüber der taz.

Das Konzept der Azra habe man abgelehnt, weil „der Personenschlüssel für die Betreuung der Frauen viel zu hoch war“. Betrieben wird das Haus jetzt von der privaten Firma Sorat GmbH. Zur Zeit wohnen dort 70 Frauen und ihre Kinder, die von drei Sozialpädagoginnen, drei Erzieherinnen und wöchentlich von zwei Psychologinnen betreut werden.

Verärgert sind die Fraueninitiativen vor allem über die Politik der Senatsverwaltung bei der Vergabe der Trägerschaft. Aufgrund eigener Recherchen, und nicht direkt durch die Senatsverwaltung, habe Azra erfahren, daß nicht sie, sondern die private Firma Sorat GmbH das Heim betreiben soll. Sorat konnte ein preiswerteres Modell anbieten und hatte sofort ein Haus für die Flüchtlingsfrauen an der Hand. „Azra wurde auf eine sehr unschöne Art ausgebootet“, sagt Vera Fritz, Mitarbeiterin von Azra.

Viele gemeinnützige Vereine sind inzwischen stocksauer. Sie befürchten, daß sich daraus ein Trend entwickeln könnte, dem die Gemeinnützigen zum Opfer fallen. Brigitte Scheit vom Arbeitskreis Wohnungsnot sieht die große Gefahr, daß die Gemeinnützigen die Konzepte erarbeiten und hinterher kaltgestellt werden. „Gewerbliche Firmen können uns immer ausbooten, weil sie viel mehr Geld zur Verfügung haben“, erklärt Scheit. Zudem hätten sie die Möglichkeit, viele Projekte vorzufinanzieren, und müßten ihre Mitarbeiter nicht nach Tarif zahlen.

Hai im Flüchtlingsgeschäft

Die private Betreiberfirma Sorat GmbH ist im Geschäft mit Flüchtlingsheimen nicht unbekannt. Sorat betreibt unter anderem Heime in Köpenick und Brandenburg. Für Elisabeth Ziemer vom Bündnis 90/Grüne ist die Sorat „ein Hai im Flüchtlingsgeschäft, der sich am Elend der Leute eine goldene Nase verdient“. Die verdient sich Sorat nicht nur mit Unterkünften, sondern auch mit Luxushotels und Mietshäusern. Die Sorat gehört der Garski-Penz-Gruppe. Völlig unklar ist den Fraueninitiativen, wie die Senatsverwaltung eng mit einer Firma zusammenarbeiten kann, deren Kopf, Dietrich Garski, einst wegen fortgesetzter Untreue, Kreditbetrugs und Urkundenfälschung im Gefängnis saß.

Brigitte Scheit vom Arbeitskreis Wohnungsnot bezweifelt, daß mit der Personalstärke im Frauenflüchtlingsheim eine ausreichende psychologische Betreuung möglich ist, auch wenn die Unterbringung nicht zu beanstanden sei. Die Senatsverwaltung für Frauen ist mit der Arbeit der Sorat GmbH jedoch sehr zufrieden. Sprecherin Bettina Martin: „Das Frauenflüchtlingshaus läuft seit drei Monaten gut. Die Frauen fühlen sich wohl und werden psychologisch betreut.“

Duschräume verschimmelt

Klagen verlauten indes aus einer anderen Flüchtlingsunterkunft der Sorat GmbH in Tempelhof. Zwei Flüchtlingsbetreuerinnen, die ihren Namen nicht nennen wollen, besichtigten heimlich, zusammen mit einer dort lebenden Familie, das Heim. Dort angekommen, fanden sie übelste Umstände vor. „Die Duschräume sind verschimmelt, die Toiletten verdreckt, und über die Flure läuft Wasser“, erzählte eine der Frauen der taz. Es gäbe zuwenig sanitäre Anlagen für die Bewohner, von denen viele das Heim am liebsten sofort verlassen würden. Eigentlich müsse man das Heim aus hygienischen Gründen schließen. Proteste bei der Sorat erscheinen den Frauen sinnlos. Schon einmal beschwerten sie sich bei der Betreiberfirma eines Heimes in Wedding über die katastrophalen hygienischen Zustände. Daraufhin erhielten sie zur Antwort, man könne es nicht ändern, daß die Flüchtlinge so schmutzig seien. Annabel Wahba