Neue Verhandlungskonzeption in Genf?

Bosnien-Vermittler von EU und UNO laden die Außenminister der Nachbarstaaten Ex-Jugoslawiens zu einem „privaten“ Treffen ein / Bericht über Auswirkungen der UN-Sanktionen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Für einige Spekulationen sorgte ein Treffen der Außenminister der sieben Nachbarstaaten Ex-Jugoslawiens, das gestern im Genfer UNO-Palast stattfand. Griechenland, Italien, Österreich, Albanien, Ungarn, Bulgarien und Rumänien waren von den beiden Bosnien- Vermittlern von UNO und EU, Thorvald Stoltenberg und Lord David Owen, eingeladen worden. Denn als Grund für dieses Treffen hatten die beiden Vermittler offiziell lediglich bekannt gegeben, daß es „privat“ sei und nicht unter dem Erfolgszwang eines konkreten Ergebnisses stehe. Inoffiziell hieß es dagegen, die sieben Außenminister wollten über die Sicherheitsfragen in ihrer Region sprechen sowie über die ihren Ländern gemeinsamen politischen und wirtschaftlichen Probleme, die durch den Krieg in Bosnien und die Wirtschaftssanktionen gegen Serbien/ Montenegro zum Teil erheblich verschärft wurden. Zu diesem Thema wurde den Außenministern ein Bericht über die Auswirkungen der Sanktionen auf die Region vorgelegt.

Laut dieser Aufstellung, die zunächst nicht veröffentlicht wurde, ist Mazedonien mit Abstand am stärksten von den Sanktionen betroffen. Ungarn hatte in den letzten Tagen Sympathien zumindest für eine Lockerung der Sanktionen geäußert. Aufhorchen ließ der Hinweis aus Genfer diplomatischen Kreisen, einige der Teilnehmerstaaten – namentlich Rumänien, Bulgarien und Ungarn – verfügten auf Grund historischer, ethnischer oder religiöser Gemeinsamkeiten mit der serbischen Seite über potentielle, bislang jedoch nicht genutzte Einwirkungsmöglichkeiten auf den Bosnien-Konflikt. Setzt sich jetzt etwa die späte Erkenntnis durch, daß es bei Kriegsbeginn in Ex-Jugoslawien im Frühsommer 1991 besser gewesen wäre, die gesamteuropäische Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit KSZE zur Konfliktbearbeitung heranzuziehen anstelle der westeuropäischen EU?

Auch die 51 Staaten der islamischen Konferenz fordern bereits seit einiger Zeit öffentlich ein Ende der völlig gescheiterten Genfer UNO/EU-Vermittlungen und ihren Ersatz durch einen neuen Verhandlungsrahmen. Inzwischen wird daher in der Clinton-Administration sehr intensiv über einen neuen Verhandlungsansatz nachgedacht und werden in internen Kontakten mit Washingtoner Diplomaten aus EU und Nato-Staaten neue Modelle erörtert. Unter anderem ist im Gespräch, einen US-Vermittler einzusetzen. Einige der informell diskutierten Modelle gehen von einer gemeinsamen Initiative einiger kleinerer westeuropäischer, osteuropäischer und ehemals neutraler Staaten (Schweden, Österreich, Schweiz) und einer stärkeren Einbeziehung sämtlicher Länder Südosteuropas aus. Albaniens Außenminister Alfred Serrequi wollte gestern gegenüber der taz nicht ausschließen, daß sein Land künftig eine aktivere Rolle bei den Verhandlungen über eine Lösung der Konflikte in Ex-Jugoslawien spielen könnte.

Die Clinton-Administration geht bei ihren Planungen bislang sehr behutsam vor und dürfte wohl kaum eine öffentliche Initiative für einen neuen Verhandlungsansatz starten. Die USA möchten unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, sie nähmen unter dem Motto „ihr EU-Staaten habt im Bosnien-Konflikt versagt“ jetzt das Heft in die Hand.

Die gestrige Außenministerkonferenz, zu der ursprünglich auch der türkische Außenminister eingeladen wurde, der dann mit Verweis auf die Brüsseler Nato- Ratstagung kurzfristig absagte, bot zumindest die Gelegenheit, die Chancen für bestimmte Varianten einer neuen Verhandlungsinitiative auszuloten.