■ Nachgefragt: „Nur ein Kratzer auf der Backe“
Der ehemalige Doppelagent Willi Lemke ist in die Offensive gegangen. Einen Tag nach Bekanntwerden seiner jahrelangen Tätigkeit für den sowjetischen Geheimdienst KGB mit Billigung des Hamburger Verfassungsschutzes kündigte der Manager des Deutschen Fußballmeisters Werder Bremen an, gegen den früheren Chef der Hamburger Behörde, Hans Josef Horchem, vorzugehen. „Mein Anwalt überprüft juristische Schritte.“ (vgl. Bericht S. 5)
Hamburgs Innensenator Werner Hackmann (SPD) erklärte, Lemke habe nicht bis 1975, sondern nur bis 1973 mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet. Lemke hatte erklärt, das letzte Treffen mit dem KGB sei 1974/1975 gewesen. Auch sein Abschiedsbrief an den KGB datiert erst von 1975.
Lemke befürchtet keine negativen Folgen der Aufdeckung seiner Vergangenheit: „Ich habe keine Probleme damit. Das ist nur ein Kratzer auf die Backe.“ Er verwies auf die zahlreichen Sympathiebezeugungen für ihn. „Ich habe bisher noch keine einzige negative Reaktion empfangen. Unser Hauptsponsor hat gleich als erster Solidarität bekundet. Und die Mannschaft hat sich ausgeschüttet vor Lachen.“ Werder-Präsident Franz Böhmert meinte: „Willi Lemke hatte bei mir bisher drei Sterne, jetzt hat er den vierten Stern dazubekommen. Er hat seine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt.“
CDU-Chef Peter Kudella hat als Vorsitzender der parlamentarischen Kontrollkommission zur Überprüfung des Landesverfassungschutzes zu einer Sondersitzung des Gremiums eingeladen
dpa
„Wenn wir das gemacht hätten, wären wir schon längst im Bau. So einer, der darf das alles.“ Meint: Butenbremer Willi Stürmer
„Ich gehe nicht zum Fußballspiel. Und ob Willi Lemke Doppelagent war, ist mir ziemlich egal.“ Findet: Thomas Schwichtenberg
„Das ist doch Willi Lemkes Vergangenheit. Man soll ihm noch eine Chance geben.“ Dafür ist: Eine anonyme Bremerin.
„Ich finde das nicht gut. Aber so wie er sich gestern im Fernsehen gegeben hat, hat er ja mit offenen Karten gespielt. Offenbar hat er nichts zu verbergen. Wenn er sich nicht früher schon offenbart hätte, wäre das eine andere Sache gewesen. Aber detailliert kann ich das nicht beurteilen.“ Sagt: Ein anonymer Bremer
„Ich war schockiert, das ist schrecklich. Ich kenne ihn aus 68er Tagen. Was das bedeutet, das ist noch gar nicht abzusehen.“ Sagt eine Studienrätin, die lieber anonym bleiben will
„Die sollen doch die alten Sachen ruhen lassen. Das ist doch so viele Jahre her und wird bestimmt harmlos sein. Sonst wäre das schon viel eher auf den Tisch gekommen.“ Glaubt: Hanni Richters
„Leider muß man das wohl politisch sehen. Aber ich fälle über niemanden ein Urteil. Trotzdem finde ich das sehr eigenartig. Wer für den KGB arbeitet, hat doch mindestens zu der Zeit sein Vaterland verraten. Man muß kein Nationalist sein, um das so zu sehen. Andererseits war der Willi damals ein junger Mann.“ Findet Joachim Werner ede
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